In der Holsteinischen Schweiz, dem echten Norden

In der 2. Woche unseres Septemberurlaubs wollten wir die Ostsee verlassen und uns die Holsteinische Schweiz um Plön und Eutin anschauen – mal was anderes halt. Wobei ich irgendwie an Felsen wie in der Sächsischen Schweiz, oder der in Luxemburg dachte, aber nein, weit gefehlt: es handelt sich um eine Hügellandschaft mit mehr als 200 Seen, von Felsen keine Spur. Ich habe in der Vorbereitung gelesen, dass es ein Gasthaus dieses Namens gab und von diesem hat die ganze Gegend dann ihren Namen erhalten – Dinge gibt`s auf dieser Welt! Aber so richtig brauche ich auch keine Felsen, die Zeiten, wo ich auf ihnen herumgeklettert bin, sind eh vorbei, 200 Seen sind mir als Wasserliebhaberin viel wichtiger. Wir buchten einen Zeltplatz auf einer Halbinsel im Großen Plöner See mit Seeblick, Naturcamping Spitzenort, darauf freue ich mich schon!

Dienstag, 27. September: In Plön

Am Vorabend sind wir bei leichtem Nieseln auf dem Camping Spitzenort angekommen und alles war zu unserer besten Zufriedenheit geregelt: unser Standplatz ein Traum mit Blick auf den See. Den ganzen Abend waren wir damit beschäftigt, die Blesshühner zu beobachten , ein echt zänkisches Volk – wir haben es nicht geschafft, herauszubekommen, nach welchen Regeln sie sich auf dem See bewegen, denn bei jeder Richtungsänderung hacken sie wie blöd aufeinander ein. Die sind noch schlimmer als unsere Hühner zu Hause, aber sehr amüsant zu beobachten.

Am nächsten Morgen regnet es, es gießt, es tröpfelt – abwechselnd, aber ununterbrochen. Meine Wetter-App hatte es gesagt. Aber sie sagte auch, dass es zwischen 9 und 12 Uhr eine kurze Regenpause geben sollte und so wollten wir genau diesen Moment ausnutzen, um uns Plön anzuschauen. Um halb zehn, als wir uns auf den Weg machten, tröpfelte es immer noch. Aber wir schafften es bis auf den Marktplatz, wo gerade Markt war. Das ist prinzipiell toll, ich schaue gern die Marktstände an und kaufe auch da gerne, aber Hunde dürfen an Markttagen den Markt nicht betreten – und da ist Ewald ja ganz streng. So schlichen wir um den Markt herum und stiegen am sehr schönen Rathaus und dem Gänseliesel-Brunnen vorbei Richtung Schloss.

Das weiße Plöner Schloss thront auf einem kleinen Hügel über dem Großen Plöner See. Es war einst holsteinisch-dänische Sommerresidenz. Heute ist darin die Fielmann-„Residenz“, in der Optiker für ganz Deutschland ausgebildet werden. Während wir nach einem kurzen Fotostopp auf der Schlossterrasse Richtung Schlosspark strebten, endete allerdings die wirklich kurze Regenpause schon wieder, so dass es uns dann doch wieder mehr Richtung Städtchen zog. Tropfende Bäume sind einfach nichts.

Nach einem Milchkaffee und der vergeblichen Hoffnung auf trockeneres Wetter schauten wir nur noch kurz nach den berühmten `Twieten`, den sehr malerischen kleinen Sträßchen, die das ganze Stadtgebiet durchziehen. Und danach gab es nur noch eins: Rückzug in unseren warmen Wohni zum Lesen, Halma spielen, Filme gucken. Diese Wetter-App kannst du echt vergessen. In einer Hinsicht passt sie natürlich zu mir: Sie hat immer besseres Wetter als alle anderen Apps. Von daher macht sie einem immer Hoffnung!

Mittwoch, 28. September: In Eutin

Die ganze Nacht hatte es noch geregnet, aber am Morgen klarte es langsam auf. Ewald ging es heute nicht so gut, so machte ich mit Lucy einen langen Spaziergang auf die Prinzeninsel, eine Halbinsel, die in den Großen Plöner See hineinragt und auch eine der Sehenswürdigkeiten von Plön ist. Ich fand einen historischen Apfelgarten, von dessen Pavillon aus man einen wunderbaren Blick auf das Schloss hat. Jeder Baum hatte einen Paten und manche schienen auch schon sehr alt zu sein, also die Bäume natürlich, nicht die Paten.
Mittags schien endlich wieder die Sonne und wir machten uns auf den Weg nach Eutin, dem anderen größeren Städtchen der Hosteinischen Schweiz. Über den Marktplatz, der leider gerade einen neuen Belag bekam, und die Michaeliskirche, die Ewald sehr gut gefiel, gingen wir zum dortigen Schloss (was auch sonst!). Und dort war es wirklich hübsch, weniger wegen des Schlosses, das ein Backsteinbau war wie meistens hier im Norden (Ewald allerdings meinte, dass das Schloss unheimlich beruhigend wirken würde), sondern wegen des wunderbaren Gartens, der uns entzückte.

Der Park steht als das bedeutendste Gartendenkmal Schleswig-Holsteins unter Denkmalschutz. Eine über 300 m lange alte Lindenallee führt in den Garten hinein. Wir spazierten aber nur in der Lindenallee um das Schloss herum und fanden einen hübschen Pavillon, von dem aus wir auf den Großen Eutiner See hinausschauen konnten. Aber wir beschlossen, dass wir an unserem noch programmfreien Samstag auf jeden Fall noch einmal hierher kommen und im Schlosspark spazieren gehen, wenn das Wetter es einigermaßen zu lässt.

Danach gingen wir Kaffee trinken ins „toHuus“ am Marktplatz. Und ganz ehrlich: So guten Kuchen hatte ich schon lange nicht mehr gegessen: ungewöhnliche, ganz eigene Kreationen. Die Zitronentorte von Ewald mit einem Schoko-Nuss-Boden und einer so leckeren Zitronencreme darauf, der Wahnsinn. Mein Schokoladenkuchen mit ganzen Erdnüssen darin, einer Schokomousse darauf und mit einer Nuss-Sauce übergossen – nach der Hälfte hatte ich den Schoko-Schock, aber Ewald hat die andere Hälfte noch mit großem Genuss verzehrt. Serviert wurde das Ganze von einem überaus sympathischen jungen, sehr freundlichen Mann, also auch bester Service. Also, wenn ich Punkte vergeben sollte: 10 von 10, eindeutig. Wenn ihr mal zufällig in Eutin seid, kann ich euch das „toHuus“ nur empfehlen.

Donnerstag, 29. September: In Lübeck

Eine weitere größere Stadt stand an. Wir entschieden uns für Lübeck, die Anführerin der Hansestädte. Genau wie Wismar und Stralsund, die sich den Titel allerdings teilen, ist sie Unesco-Weltkulturerbe. Lübecks Altstadt liegt auf einem Hügel(chen) und ist auf allen Seiten von der Trave umgeben. Sie ist ca. 2 km lang und 1 km breit, also auch von uns gut zu bewältigen. Am schönsten ist es, die Stadt durch ihr berühmtes Wahrzeichen, das Holstentor, zu betreten; haben wir natürlich nicht gemacht, sondern uns von hinten an die Stadt herangeschlichen, da gab es die meisten Parkplätze, ein unschlagbares Argument. Und so begannen wir unseren Stadtrundgang mit dem unspektakulärsten, aber für uns schönsten: Den Gängen und Höfen, in denen früher die Armen der Stadt wohnten, die Tagelöhner und Witwen.
Heute sind die winzigen Hinterhöfe blumenberankt und idyllisch, die Eingänge sind allerdings meist immer noch niedrig und schmal, sie mussten so breit sein, dass man einen Sarg hinaustragen konnte, wird erzählt. Es gibt heute noch ca. 90 dieser typischen Lübecker Gänge und wir sind in etlichen herumgekrochen.

Es gab darunter aber auch schon damals sehr ansehnliche Wohnanlagen, die für besser gestellte Witwen und Waisen vorgesehen war, z.B. der Glandorpshof oder der Füchtingshof. Man konnte dort auf Lebenszeit kostenlos wohnen. Beide sind nach ihren Stiftern benannt, die sich damit bei Gott einschmeicheln wollten.

Nach all diesem Hof rein – Hof raus, Gang rein – Gang raus, brauchte ich dringend einen Kaffee. In Lübeck, nein in Lübeck gehört es nicht zu den 10 wichtigsten Dingen ein Fischbrötchen zu essen, in Lübeck muss man eine Nuss-Marzipan-Torte essen und zwar nicht irgendwo, sondern im Café Niederegger, der Ur-Manufaktur für Marzipan. Der Zuckerbäckergeselle Johann Georg Niederegger aus Ulm war Anfang des 19. Jh. so begeistert vom Marzipan, dass er die von ihm übernommene Konditorei in Lübeck ganz auf diese Leckerei umstellte. Er ist praktisch daran schuld, dass man bis heute bei Marzipan die Stadt Lübeck mitdenkt. Und ich kann euch sagen, sie war köstlich, die Torte. Mürbeteigboden, eine Nuss-Sahne-Masse und alles überzogen von einer Decke aus Marzipan – es war wirklich ganz, ganz ausgezeichnet. Leider machte ich den Fehler, dazu einen Milchkaffee mit Marzipan zu trinken. Danach hatte ich einen Marzipan-Schock und mir war noch stundenlang schlecht.

Das Cafè Niederegger befindet sich Gott-sei-Dank direkt am Rathaus, so dass wir dieses erstaunliche Gebäude problemlos mitbesichtigen konnten. Es gilt als das schönste Rathaus Deutschlands, nun ja, ich fand es etwas durcheinander, da noch ein Vorbau, dort noch ein Seitenbau, zum Markt hin ein Arkadengang mit riesigem gotischen Dachaufbau, auf der anderen Seite ein etwas muffeliger Laubengang, der allerdings dann wieder in einem sehr schönen Portal endet. Alles für sich genommen sehr schön, zusammen aber ein einziges Durcheinander. Man merkt, dass daran 200 Jahre lang gebaut wurde und sich der Stil im Laufe dieser Bauzeit von der Gotik zur Renaissance änderte. Aber beeindruckend ist es auf jeden Fall und das war, vermute ich, zu Hansezeiten auch seine Hauptaufgabe.

Von dort gingen wir dann über St. Petri zum Holstentor, ohne das geht ein Lübeck-Besuch nun wirklich nicht. Direkt neben dem Tor befinden sich direkt an der Trave die berühmten Salzspeicher. So konnten wir die auch noch besichtigen, bevor es leider leise zu tröpfeln anfing – blöde App, die für diesen Tag in Lübeck nur Trockenheit gemeldet hatte. Ich hatte nicht mal einen Regenschirm mit. So nahm ich die immer feuchter werdende Luft zuerst nicht ernst, was sich schließlich als ein Fehler herausstellte.

So rannten wir bei strömendem Regen die Breite Straße hinunter, am Heilig-Geist-Hospital vorbei (kurz das Handy hochgerissen und noch ein Foto gemacht) und erreichten klatschnass unser Auto. Nichts wie noch Hause in den gemütlichen Wohni, bevor uns noch die allgegenwärtigen Schnupfenviren (oder noch Schlimmeres) einholen.

P.S. Und zum Schluss noch ein Foto von meinem süßen Teufelchen an der Marienkirche, an der wir auch vorbeirannten. Ewald ist allerdings der festen Überzeugung, dass das überhaupt kein Teufel ist (obschon es auf einer Tafel daneben geschrieben stand), sondern die Verkörperung von Meister Tumnus aus den Legenden von Narnia.