Entlang der Ostsee 2022

Es geht wieder los! Auch, wenn manche es nicht glauben wollen (weil wir ja angeblich immer weg sind), unser Jahresurlaub steht vor der Tür: Zwei Wochen am Stück! Wir wollen wieder einen Teil der deutschen Ostseeküste erkunden. Vor einem Jahr haben wir in Stralsund aufgehört, dieses Jahr wollen wir dort wieder anknüpfen und in der ersten Woche die Gegend von Rostock bis Wismar kennenlernen. Im Vorfeld galt es die Campingplätze zu reservieren. Ich hatte einen Liebling: den Super-Vorzeigeplatz in Kühlungsborn, da hatte ich schon viel Positives davon gehört, aber nachdem ich ausgerechnet hatte, dass uns in der Nebensaison(!) eine Nacht 47,- Euro kosten würde, hatte sich das schnell erledigt. So verrückt bin ich dann doch nicht! Da kann ein Platz so schön und luxuriös sein, wie er will. Für 47 Euro kann ich mir ja eine Pension mit Frühstück leisten (wenn auch nicht an der Ostsee!). Nur waren die umliegenden Plätze auch nicht wesentlich billiger. Schließlich und endlich landeten wir am Salzhaff. Das, weil nicht Ostsee, wenn auch mit ihr verbunden, hatte angemessener Preise und auch eine sehr gute Beurteilung. Nun gut, die Boddengewässer in Zingst hatten mir sowieso besser gefallen als das Meer, wahrscheinlich war die Lösung nicht die schlechteste, wir werden sehen.
In der 2. Woche wollten wir die Ostsee verlassen und uns die Holsteinische Schweiz um Plön und Eutin anschauen – mal was anderes halt. Wobei ich irgendwie an Felsen wie in der Sächsischen Schweiz, oder der in Luxemburg dachte, aber nein, weit gefehlt: es handelt sich um eine Hügellandschaft mit mehr als 200 Seen, von Felsen keine Spur. Ich habe in der Vorbereitung gelesen, dass es ein Gasthaus dieses Namens gab und von diesem hat die ganze Gegend dann ihren Namen erhalten – Dinge gibt`s auf dieser Welt! Aber so richtig brauche ich auch keine Felsen, die Zeiten, wo ich auf ihnen herumgeklettert bin, sind eh vorbei, 200 Seen sind mir als Wasserliebhaberin viel wichtiger. Wir buchten einen Zeltplatz auf einer Halbinsel im Großen Plöner See mit Seeblick, darauf freue ich mich schon!

Dienstag, 20. September: Hinfahrt

Oh Wunder, oh Wunder! Wir kamen gut weg! Ohne einen einzigen Zwischenfall starteten wir um 9.45 Uhr, 15 Minuten früher als geplant, das war noch nie da gewesen. Gutes oder schlechtes Omen?? Das war die Frage. Vielleicht aber auch gar kein Omen, sondern nur Übung. Aber es lief auch weiterhin völlig problemlos, keinen einzigen Stau, sofort einen super Mittagspausen-Parkplatz hinter dem Kamener Kreuz gefunden und pünktlich um 16.45 Uhr (15 Minuten früher als geplant!) standen wir vor Daisy`s Diner in Bremen-Oyten, unserer traditionellen Burger-Bude auf dem Weg in den Norden. Dort speisten wir – für unseren Geschmack – wieder ausgesprochen lecker. Die Burger waren soweit okay, bei meinem Hawaii- Burger hat man die Ananas nicht geschmeckt, aber sie war erstaunlicherweise drauf – ich hab nachgeschaut. Ewald`s Daisy Burger mit Champignons war super – warum erwische ich immer den schlechteren? Aber die Offenbarung waren diesmal die Fritten, so frisch, heiß und knackig hatten wir sie bisher nur in Passau gegessen. Ein Genuss! Man konnte sogar auf die traditionelle Mayonnaise verzichten, so lecker waren sie. Dazu eine Rhabarber-Schorle, bei der man den Rhabarber schmeckt – was will der Mensch mehr????

Kurz nach 18.00 Uhr fanden wir uns auf dem Knaus-Campingplatz in Bremen-Oyten ein, wo wir immer übernachten, seit ich beschlossen habe, dass mehr als 400 km mit Wohnwagen an einem Tag einem den 1. Urlaubstag stehlen und das wollen wir natürlich nicht. Ewald machte nur die Stützen runter und danach machten wir noch einen ausgiebigen Spaziergang um den Oyter See, der ein großes Freizeitgelände für die Bremer ist und ein bisschen einem Landschaftspark ähnelt. Der Hung muss ja schließlich auch ein bisschen Spaß haben. Hat uns gut gefallen, vor allem dann der Sonnenuntergang über dem See. Bei einem alkoholfreien Wein (wir werden immer peinlicher!) ließen wir den Tag ausklingen.

Mittwoch, 21. September: Am Salzhaff

In aller Ruhe fuhren wir am nächsten Morgen weiter, wir hatten nur noch 270 km vor uns und der Campingplatz öffnete erst um 15.00 Uhr nach der Mittagspause. Und es lief wieder alles wie geschmiert. 15.00 Uhr waren wir da und nach ein paar Einpark-Schwierigkeiten, es waren leider weit und breit keine Menschen zu sehen, die uns hätten helfen können, standen wir mit Blick auf ein paar Fischerhütten und das Salzhaff. Wunderbarer Platz! Und die Sonne schien warm von einem strahlend blauen Himmel, so dass wir erst einmal eine kleine Kaffee- und Schokoladen-Pause vor dem Wohnwagen einlegten, bevor wir zu einem längeren Spaziergang entlang des Salzhaffs aufbrachen. Am Ende des Campingplatzes beginnt eine Surf-Schule, wo einige junge Menschen ihr Glück auf den Brettern versuchten. Das Salzhaff eignet sich ganz besonders für Keiter und Surfer, weil es nämlich mehrere hundert Meter weit nur knietief ist. Heute war kaum Wind und von daher kaum was los. Wir hoffen mal, dass es am Wochenende mehr wird, damit sich das Zuschauen auch lohnt. Dort gibt es auch eine kleine Bar und den Gin Tonic für 4.50 Euro, ich denke, dass wir uns da öfter aufhalten werden! Aber auch heute boten die Surfer bei diesem wunderbaren Wetter einen schönen Anblick. Weiter ging der Weg an verschiedenen Ferienhäusern und einem 2. Campingplatz entlang, aber immer zur rechten das Salzhaff. Es war ein wunderschöner Spaziergang, der uns sehr froh machte, soviel Natur, soviel Schönheit!

Am Abend fanden wir uns dann nochmals auf einer Bank am Haffufer ein, um den Sonnenuntergang zu bewundern. Und da gab es wirklich einiges zu bewundern. Ich habe schon viele schöne Sonnenaufgänge, besonders auf Zypern, gesehen, aber bei Sonnenuntergängen habe ich nur wenig Erfahrung. Aber der hier am Salzhaff war wirklich einer von den Feinsten, das sah selbst ich. Mit uns standen jede Menge Menschen am Ufer und bewunderten das Naturschauspiel am Horizont. Lange saßen wir noch auf der Bank, aber nach Sonnenuntergang wurde es doch empfindlich kühl. So zogen wir uns in den Wohnwagen zurück, wo unsere Gasheizung schön vor sich hin bullerte (okay, das ist übertrieben!), und konnten von unserem großen Rückfenster das schwindende Licht weiter genießen.
P.S. Ich hatte bei dem vorigen Absatz noch ca. 5mal das Verb bewundern durch ein anderen Wort ersetzt. Es war eigentlich das Verb, was ich ausschließlich verwendet hatte, weil genau das war es, was wir gesehen hatten: Ein Wunder! Von daher wäre es das einzig passende Verb gewesen, aber das geht natürlich stilistisch überhaupt nicht!

Donnerstag, 22. September, morgens: Im Ostseebad Rerik

Rerik? Ostseebad? Noch nie gehört. Ja, Rerik zählt nicht zu den großen Ostseebädern, wo sich die Menschheit tummelt. Klein, aber fein – das passt da schon besser. Keine Hochhäuser, keine riesigen Hotelanlagen, dafür Ruhe und Natur. Das ist Rerik! Und passt von daher besser zu uns als Kühlungsborn, Heiligendamm oder Warnemünde. Auf der einen Seite liegt die Ostsee, auf der anderen das Salzhaff und auf einer immer schmaler werdenden Landzunge dazwischen liegt Rerik. Komischer Name übrigens – klingt irgendwie nordisch-fremd – die andern heißen alle irgendwie anders (siehe oben). Rerik hieß eigentlich Alt-Gaarz, erst die Nazis benannten es um, weil es eben so schön nordisch klingt. Nun ja, Alt-Gaarz wäre als Name für ein Nordseebad auch nicht so der Bringer.
Wir auf jeden Fall machten uns an einem strahlend-blauen Donnerstagmorgen – um bei der Wahrheit zu bleiben: der Mittag näherte sich schon – auf den Weg nach Rerik. 10 km waren es bis dahin. Kurz nach dem Eingangsschild zeigte ein Schild nach links: hier letzter gebührenfreier Parkplatz. Da zog es uns Sparbrötchen natürlich hin. Wir wollten ja sowieso ein wenig laufen. Und es war eine gute Entscheidung. Nach kurzem Weg Richtung Strand landeten wir nämlich oben auf der Steilküste und hatten wunderbare Blicke auf den fast menschenleeren Strand und die weite Ostsee.
Hier oben führte ein bequemer Waldweg mit immer wieder schönen Ausblicken auf die Ostsee uns bis hin zum Haffplatz und der Seebrücke. Der Weg hat uns sehr gut gefallen, immer wieder kommen Treppen, an denen man hinunter zum Strand kann, oder man kann auch oben weitergehen wie wir. Es waren einige Menschen unterwegs, nicht sehr viele, aber genauso viel, dass man sich nicht vereinsamt fühlte. Ich kann diesen Weg nur jedem empfehlen. So kamen wir an der Seebrücke an.

Gleich neben der Seebrücke befindet sich der Schmiedeberg, der Rest eines slawischen Burgwalls (Rerik ist nämlich sehr alt, schon vor 3000 Jahren siedelten hier Menschen, wie verschiedene Hünengräber in der Gegend beweisen). Ich kann nur empfehlen, dort mal hochzusteigen. Man hat einen wunderbaren Blick gleichzeitig auf Salzhaff und Ostsee. Die Seebrücke ist übrigens marode und kann nicht mehr begangen werden. Es soll eine neue gebaut werden. Ist aber nicht so schlimm, das eigentliche Leben spielt sich nämlich auf der anderen Seite, am Haffplatz, ab.

Dort gingen wir jetzt hin und es herrschte ein angenehmes maritimes Leben. Viele Menschen, vielleicht sollte ich lieber sagen, etliche Menschen gingen dort am Kai spazieren oder saßen in den Restaurants und Eiscafés, alles war neu gestylt und piekfein. Der Platz und seine Bebauung konnten noch nicht alt sein. Viele Boote, vor allem Segelboote, lagen dort am Pier. Die Sonne schien, es war richtig schön. Wir wandelten es bisschen entlang und wollten dann eigentlich eine Rundfahrt auf dem Haff unternehmen. Der nächste Ausflugsdampfer fuhr aber erst in zwei Stunden – Nebensaison. So gingen wir langsam, an der alten Backsteinkirche vorbei, die sehr sehenswert sein soll, aber wir schauten nicht hinein, wieder zu unserem Parkplatz zurück. Wir kauften beim Bäcker daneben noch zwei Teilchen und zogen uns zum Mittagessen und Mittagsschlaf wieder in unseren heimischen Wohnwagen zurück.

Donnerstag, 22.9., nachmittag: Das Münster von Bad Doberan

Ein kleiner Nachmittagsausflug war noch geplant: Wir fahren die 20 Kilometer nach Bad Doberan und schauen uns das dortige Münster an. Das Münster von Bad Doberan gilt als eines der bedeutendsten Beispiele der norddeutschen Backsteingotik, und da wir nun schon mal in der Gegend waren ….. was sein muss, muss sein!
Aber als wir durch die Backsteinmauer, die den gesamten Klosterbezirk umschließt, hindurch fuhren, waren wir erst einmal fassungslos: Das war vielleicht mal eine Kirche!! Das war ganz schön viel Kirche! Groß und hoch und breit und vielgestaltig, einzig der Turm fehlte, was aber irgendwie bei so viel Kirche gar nicht auffiel. Also, wir haben ihn nicht vermisst, es ist uns überhaupt erst beim Betrachten der Bilder aufgefallen.

Ewald war begeistert: „Das hier muss ich mir aber ganz genau anschauen, ganz genau!“ So verbrachten wir die nächste Stunde damit, einmal rund um die Kirche zu gehen und alles ganz, ganz genau anzuschauen. Die Kirche ist von einem wunderschönen Landschaftspark umgeben, mit zwei Teichen und Bachlauf und Brücken, also ich konnte mich ganz gut selbst beschäftigen – und der Hund auch!

Vor der Kirche befinden sich noch die Reste des Kreuzgangs und hinter der Kirche ein bemerkenswertes gotisches Beinhaus, in dessen Unterraum die Zisterziensermönche bestattet wurden. Ach, eh ich`s vergessen: das Münster war die Klosterkirche des Zisterzienserordens, 1368 fertiggestellt und nie zerstört, wahrscheinlich weil es so weit ab von allem lag. Dass es nicht einfach vergessen wurde und verfiel, hat damit zu tun, dass es die Grablege der mecklenburgischen Fürsten war – Grabplatten über Grabplatten sind im Innern zu sehen.

Ach ja, das Innere haben wir uns dann auch noch ganz, ganz genau angeschaut, schließlich mussten wir 3 Euro Eintritt zahlen. Leider war der Chorraum voller Gerüste, es wurde renoviert, muss auch sein, mindert halt nur etwas den Raumeindruck. Und der hat mich wirklich beeindruckt: so hoch, so lichtdurchflutet, die Säulen hatten die ursprüngliche Ausmalung und waren wunderschön.

Ansonsten ist auch das Innere absolut superlativ: das höchste Sakramentshaus, der älteste Flügelaltar, ein riesiger Doppelaltar mit monumentalem Triumphkreuz, vollständig erhaltenes Mönchsgestühl, alles da, was einen so beeindrucken kann – oder auch nicht! Für mich war das Wesentliche der Gesamtraum und seine Ausstrahlung. Gott sei Dank schloss das Münster um 17.00 Uhr, sonst wäre Ewald vielleicht jetzt noch drin.

Danach gingen wir noch etwas im Klosterbezirk spazieren, begutachteten den Kräutergarten und die sehenswerte Ruine eines Wirtschaftsgebäudes; das Café im renovierten Kornhaus schloss leider auch um 17.00 Uhr; und im abgeschlossenen „Gemüsegarten für die Suppenküche“ blühten drei wunderschöne lila Herbstzeitlose, nun ja, unter Umständen hat die Suppenküche bald keine Kunden mehr, aber die Blumen waren wirklich schön!

Freitag, 23. September: In Wismar

Heute sollte es nach Wismar gehen, der vielgerühmten Hansestadt und UNESCO- Weltkulturerbe, weil sie noch ein geschlossenes mittelalterliches Stadtbild besitzt, praktisch die Urform einer Hansestadt darstellt. Ich hatte im Vorfeld per Internet einen kostenlosen Großparkplatz, direkt am Alten Hafen, gefunden. Es war wie immer bei allem kostenlosen: die anderen wussten es natürlich auch. Der Parkplatz war so zugestellt, dass ich Blut und Wasser schwitzte, bis ich unser Auto wieder heil heraus manövriert hatte. Daneben war ein halbleerer wunderbarer Parkplatz, wo wir für gut angelegte 3 Euro den halben Tag stehen konnten. Manchmal darf man halt nicht am falschen Ende sparen! So war ich schon leicht genervt, als wir endlich am Alten Hafen standen. Die Nervosität musste ich zuerst einmal mit einem Fischbrötchen bekämpfen, die dort wie auch in Stalsund vom Kutter weg verkauft werden, was dann so den Eindruck erweckt, als wären sie auch mit diesem Kutter am Morgen gefangen worden. Nun gut, wir aßen Bismarckhering, da war sowieso klar, dass der aus irgendeinem Fass kam. So gestärkt – es war natürlich Mittagszeit, als wir in Wismar einliefen –wandten wir uns dann den Sehenswürdigkeiten des Hafens zu und spazierten die Hafenmole entlang bis zum Baumhaus. Das heißt nicht etwa so, weil es in einen Baum gebaut wäre, sondern weil früher zur Nacht und bei Gefahr ein Baumstamm an einer Kette über den Hafeneingang gezogen wurde und dieser damit unpassierbar wurde. Die Männer, die das machten, wohnten im sog. Baumhaus. Heute ist es ein Museum.

Es stehen zwei hübsche Schwedenköpfe davor, die früher die Fahrrinne des Hafens markierten. Wismar war 200 Jahre (1632 – 1803) lang von Schweden besetzt, das hat natürlich seine Spuren hinterlassen. Das war gut für den Handel, aber schlecht bei Krieg. Schweden war zu weit weg, um seine Außenstelle gescheit zu verteidigen. So wurde Wismar im Großen Nordischen Krieg (1719) fast vollkommen zerstört. Nie vorher etwas von diesem Krieg gehört – da sieht man mal wieder: Reisen bildet!!

Spalteninhalt

Im Hafen liegt normalerweise auch die Wissemara, die genaue Nachbildung einer Hansekooge, die man vor der Insel Poel in der Ostsee gefunden hat. Ewald hätte sie sehr gern gesehen, aber sie war gerade auf Tour. Fast jeden Morgen segelt sie (mit zahlender Besatzung natürlich) hinaus aufs Meer und kommt erst gegen 14 Uhr wieder zurück. So lange wollten wir dann doch nicht warten. So gingen wir durch das letzte erhaltene Stadttor, das Wassertor, hinein in die Stadt und bogen gleich nach rechts in die Straßen „Am Lohberg“. Dort befindet sich nämlich neben einigen schönen Bürgerhäusern die älteste Brauerei der Stadt. In Wismar gab es einst viele Brauereien. Als im Bezug auf Getreidelieferungen die anderen Hansestädte Wismar den Rang abliefen, entschloss man sich dort, einfach das veredelte Produkt auszuliefern: Bier. Kluge Menschen, die Wismarer.

So gelangten wir an die „Grube“, den ältesten Kanal Deutschlands, der den Mühlenteich auf der anderen Seite von Wismar mit der Ostsee verbindet und schon im 13. Jh. angelegt wurde. Er versorgte die Stadt mit Frischwasser und auf ihm wurden auch Waren vom Hafen bis in die Stadtmitte getreidelt. Über die Mündung der „Frischen Grube“, so heißt sie an dieser Stelle, in den Hafen spannt sich das schönste Haus Wismars (so sagt man, mir war es ein bisschen zu rosa, ist halt nicht meine Farbe). Es heißt „das Gewölbe“, warum, kann man gut erkennen.

An der Grube entlang spazierten wir bis nach St. Nikolai und dem Schabbellhaus. Schabbell war ein Brauereibesitzer, Ratsherr und Bürgermeister von Wismar, der sich da ein repräsentatives Stadthaus hinstellen ließ, in dem heute das Stadtmuseum ist. An St. Nikolai faszinierte uns besonders der Südgiebel, ein Schmuckgiebel aus glasierten Backsteinfliesen und dunkleren Terrakottafliesen mit einer Schmuckrosette darüber. Das sah so genial aus! Leider war es aufgrund der Entfernungen und der Lindenbäume von mir nicht zu fotografieren.

Dort führte die Schweinebrücke über die Grube mit vier süßen kleinen Schweinchen. Niedlich!

So gelangten wir schließlich auf den vielgerühmten Marktplatz, der der größte in ganz Norddeutschland sein soll. In der östlichen Ecke steht die „Wasserkunst“, ein damals (1600) architektonisches wie technisches Wunderwerk. Es ist ein Renaissance-Brunnenhaus, aber das Wesentlichere war, dass das Wasser mit Holzrohren von einer vier Kilometer entfernten Quelle dort hineingeleitet wurde und dann die einzelnen Bürgerhäuser und die öffentlichen Schöpfstellen speiste. Was das eine Arbeitserleichterung für die Menschen gewesen sein muss! Auch gerade für die ärmeren Bevölkerungsschichten. Ansonsten ist dort auf dem Markt ein Haus schöner als das andere, das klassizistische Rathaus steht an der einen Seite, und an der anderen das älteste Haus der Stadt, der „Alte Schwede“. Es hat einen wirklich prächtigen gotischen Stufengiebel, das Kennzeichen eines stolzen Hansehauses. Die „Wasserkunst“ und der „Alte Schwede“ sind die beiden Wahrzeichen Wismars. Den Eindruck des Marktplatzes mussten wir dann noch bei einem Kaffee und einem Stück Torte in der noch scheinenden Sonne vertiefen. Es war wirklich noch schön angenehm warm.

Dann machten wir uns über die Lübsche Straße, eine der wichtigsten Einkaufsstraßen Wismars, auf den Heimweg. Dort hat übrigens das Imperium Karstadt seinen Anfang genommen. Rudolph Karstadt eröffnete 1881 dort einen Laden und hatte eine für uns ganz normale, aber damals sensationelle neue Idee: Die Waren sollen billig sein, aber es gibt einen Festpreis und dieser muss bar bezahlt werden, kein Feilschen mehr und kein Anschreiben. Und wie wir heute alle wissen: die Idee setzte sich durch! So, das nur, weil ich es immer so interessant finde, wie etwas, das wir als völlig normal empfinden, entstanden ist. Von den drei großen, wichtigen Kirchen Wismars haben wir uns keine angeschaut, aber es soll durchaus empfehlenswert sein. Wir hatten unsere Lieblingskirche ja schon am Vortag gefunden.

Samstag, 24. September: Molli

Nur um gleich jeder Irritation aus dem Weg zu gehen: Molli ist kein Dorf, keine Stadt und auch kein Ostseebad, sondern eine Eisenbahn. So was wie der „Rasende Roland“ auf Rügen, eine Bäderbahn von Kühlungsborn über Heiligendamm nach Bad Doberan. Zweite Klarstellung: Es heißt „Der Molli“, ohne jede Erklärung. Es heißt die Eisenbahn, es heißt die Lokomotive, es heißt die Molli, falls es sich um eine Katze oder eine Puppe oder die kleine Lokomotive von Jim Knopf handelt – aber die Bäderbahn heißt „der Molli“. Dies wurde per Dekret von der Verwaltung der Mecklenburgischen Bäderbahn festgelegt. Punkt- Fertig- Ende! Aber irritierend finde ich es schon! Soweit die Vorrede.

Ich stehe ja mehr auf Schiff, aber wenn sich eine Dampflok in erreichbarer Nähe befindet, will Ewald damit fahren. Und so machten wir uns am Samstagmorgen (wie immer war es fast Mittag) auf in Richtung Kühlungsborn, wo sich die Endstation der Schmalspurbahn Molli (s.o) befindet. Für 6 Euro durfte unser Auto 3 Std. auf dem Bahnhofparkplatz stehen bleiben, da musste ich schon das erste Mal tief Luft holen. Schnappatmung bekam ich allerdings erst am Fahrkartenschalter: 41,50 Euro für 17 Kilometer. Schifffahren wäre billiger gekommen! Aber gut – es geht ja um 2 Personen mit Hund und zurück fahren wollen wir ja schließlich auch. Und letztendlich geht es um Erlebnis, um Nostalgie und nun ja, eben um Dampflokomotiven. Da sind 40 Euro schließlich gar nicht sooo viel.

Nun, so richtig spektakulär war es erst einmal nicht: Wir fuhren durch die Außenbezirke von Kühlungsborn, danach durch Wälder und Felder, sahen kein einziges Mal die Ostsee, obwohl wir die Küste entlang fuhren, trotzdem stand Ewald mit verklärtem Gesicht draußen auf der Plattform, ließ sich eindampfen und fotografierte jeden Baum und jedes Auto. Erst mit der Einfahrt in Bad Doberan wird die Sache interessant, da wird nämlich aus dem Molli praktisch eine Straßenbahn, die sich mit minimaler Geschwindigkeit durch die Fußgängerzone drängelt. Das war schon toll!

Wir hatten eine Stunde Aufenthalt und zu allererst musste ich Kaffee trinken gehen, um den Rauchgeschmack aus meinem Mund zu bekommen (und ich hatte im geschlossenen Waggon gesessen!). Und dann – nun ja, Bad Doberan: Das einzig Interessante an diesem Ort hatten wir uns schon zwei Tage zuvor ausgiebig angesehen, nämlich das Münster. Das war nämlich Doberan einst: ein Kloster mit einem Dorf darum. Bis eines Tages im Jahr 1793 der mecklenburgische Herzog Friedrich Franz I. beschloss, dass Seeluft seiner Gesundheit gut tun würde und Doberan der geeignete Ort für seine Sommerresidenz wäre. Wie er gerade darauf gekommen ist, wird für immer sein Geheimnis bleiben. Aber er baute ein kurfürstliches Residenzschloss, einen Park davor und in den Park zwei chinesische Pavillons. Das ist alles, was man in Bad Doberan besichtigen kann, und das haben wir dann auch gemacht und waren relativ schnell fertig damit.

Zum Schluss haben wir dann doch wieder eine kleine Runde durch die Klosteranlagen gedreht. Denn ganz ehrlich, für mich ist Bad Doberan immer noch nicht sehr viel mehr als früher: Eine sehenswerte Klosteranlage mit ein paar klassizistischen Bauten drum herum. Und halt mit dem Molli! Der kommt als Attraktion gleich hinter dem Münster! Zumindest für Ewald!

Sonntag, 25. September: In Rostock und Warnemünde

Der Sonntag war ein Sonntag und fing damit gleich gut an: Ewald bekam die Heizung nicht an, und das bei 15 Grad im Wohni. Es wäre auch zu schön gewesen, wenn diesmal alles problemlos verlaufen wäre! Ich war noch nicht bereit, mich aufzuregen, kochte zuerst einmal zwei Heißgetränke und machte den kleinen Backofen an, den wir ja zum Brötchen aufbacken mit haben . Damit stieg die Temperatur schon mal 2 Grad an. Im Lauf des Tages war Sonnenschein vorgesehen und da würde sich der Wagen schon von allein aufheizen. Somit war das Problem zwar nicht gelöst, aber erst einmal vertagt – und was heute Abend ist, wird man dann sehen. Die Heizung hat schon öfter Probleme gemacht und Ewald hat sie letztendlich immer an gekriegt. Also, auf nach Rostock! Aber immer mit der bangen Frage im Hintergrund: Rostock… Rostock – lohnt sich das überhaupt?

Rostock ist nicht vergleichbar mit Stralsund, Wismar oder Lübeck, schließlich ist es im 17. Jh. fast vollständig abgebrannt und im 20. Jh. dafür noch einmal völlig zerbombt worden. Da kann man jetzt kein geschlossenes historisches Stadtbild erwarten, aber ein paar Kleinigkeiten gibt es doch noch zu sehen. Aber auch in Rostock gibt es erfinderische Menschen, die sich sagten: Okay, was kaputt ist, ist kaputt, in der Hanse-Liga können wir nicht mehr mitspielen, also versuchen wir halt was anderes: So besitzt Rostock über 300 Brunnenfiguren und Plastiken. Sie stehen überall rum und ich finde, es sind teils sehr interessante und lustige Stücke darunter.
Es war fast Sonntag Mittag, als wir unseren Rundgang am Neuen Markt begannen, und …. Die Stadt war menschenleer. Man glaubt es kaum. Der Neue Markt ist ein durchaus repräsentativer Platz, mit einer großen Plastik in der Mitte, einer Neptungruppe, die in ihren vier Figuren Aufbruch und Untergang widerspiegelt. Ich finde, das passt gut zu Rostock: große Hansevergangenheit, aber zweimal fast vollständig untergegangen, Hauptstadttitel an Schwerin verloren, aber heute wieder im Aufwind, sagt zumindest mein Reiseführer. Also, mir gefiel die Plastik jetzt nicht so gut, zu groß und die Tauben hatten auch schon sehr kräftig ihre Spuren hinterlassen. Was mir dagegen gut gefiel, war das Rathaus. Es war einst ein gotisches Backsteingebäude mit einer großen Schauwand an der Vorderseite, aber ein mutiger Bürgermeister setzt dann vor diese gotische Fassade einen damals hochmodernen barocken Vorbau. Und ich finde, es passt und mir gefällt`s. Supercool findet ich natürlich, wie auch die meisten anderen Menschen, dass sich eine der Rostocker Lieblingsplastiken am Rathaus befinden: die Rathaus-Schlange windet sich aus den barocken Säulen heraus. So was find ich lustig! Soll sie Weisheit symbolisieren oder eher doch die doppelzüngige Listigkeit einer Stadtpolitik?

Hinter dem Markt steht die größte Kirche Rostocks, die Marienkirche. Und vor ihr wieder eine überaus nette Plastik: Afrikanische Bergziege heißt die Figur. Sie schaut sehr misstrauisch Richtung Ziegenmarkt, kann man ja verstehen.

Von dort biegen wir in die Kröpelinstraße ein, Mittelpunkt der Stadt und Fußgängerzone – nur dass heute keine Fußgänger da sind. Von der hanseatischen Vergangenheit her gesehen ist es die wichtigste Straße, denn hier ist es so, wie in den anderen Hansestädten auch: eine wunderschöne Hausfassade reiht sich an die nächste. Aber es ist halt die einzige Straße dieser Art, die Rostock zu bieten hat.

Und sie ist auch relativ schnell wieder zu Ende. Der wesentliche Teil endet wenige 100 m weiter an der Universität. Davor steht allerdings die Lieblingsplastik aller Rostocker: der „Brunnen der Lebensfreude“, despektierlich, aber liebevoll von den Rostockern „Porno-Brunnen“ genannt, weil die Figuren alle nackt sind. Mehrere Gruppen von Menschen und Tieren vergnügen sich dort im Wasserspiel, im Mittelpunkt steht eine kleine, wie es aussieht glückliche Familie. Dort um diesen Brunnen herum soll eigentlich das Rostocker Leben pulsieren, aber heute pulsierte da mal gar nichts, es war halt Sonntag.

Wir gingen dann durch verschiedene Nebenstraßen wieder zu unserem Auto zurück und fanden dabei noch manch schönes Haus und manch schönen Innenhof. Wir lieben durchaus das Schöne, aber auch das Baufällige, das Hinfällige hat seinen Reiz. Aber diese Besichtigung hatte nicht so lange gedauert, dass sich die Fahrt schon gelohnt hätte und so wollten wir noch einen kurzen Abstecher nach Warnemünde, dem Stadtteil Rostocks an der Ostsee.
Ja, Warnemünde! Wir parkten am Bahnhof und gingen über die Brücke am Alten Strom und dann wussten wir, warum kein Mensch in Rostock gewesen war. Alle, aber auch alle waren in Warnemünde und wälzten sich über die Brücke und den Alten Strom entlang. Es waren so viele Menschen, man glaubt es kaum. Wir schwammen mit im Menschenstrom, rechts lagen die Fischkutter im Alten Strom, links standen die vielgerühmten Kapitänshäuser, für die Warnemünde so bekannt ist. Wir konnten sie nur nicht sehen, zum einen standen die Linden davor, zum anderen war in jedem Häuschen entweder ein Geschäft, die natürlich alle offen waren, oder ein Restaurant/Café zu finden, sogar einen Rossmann gab es da. Zusammen mit den vielen Menschen, die an den Fischkuttern anstanden für ein Fischbrötchen oder Eis/Kaffee in der Hand hielten …. Es war irgendwie nicht unser Ding, aber wir standen es tapfer durch!

Der Menschenstrom zog sich dann bis auf den Strand und die Mole hinaus. Da waren es dann natürlich etwas weniger Menschen, weil es da ja nichts mehr zu kaufen und zu essen gab. Wir fanden Platz auf einer Bank und schauten den einfahrenden Schiffen zu. Das war dann schön! Besonders gefiel uns eine Dreimast-Barkantine – so heißt das, ich hätte einfach gesagt: ein Segelschiff -, die wirklich majestätisch vor uns durch die Hafeneinfahrt glitt. Ewald konnte sich gar nicht satt sehen daran.

Dann gingen wir am Leuchtturm und dem Teepott, den beiden Wahrzeichen Warnemündes, vorbei in einer Seitenstraße wieder zurück. Da war es dann schon wesentlich ruhiger und es gab auch noch genügend schöne Kapitänshäuser zu sehen. Das war dann mehr unser Ding! Gut – Warnemünde! Vielleicht an einem Montagmorgen, Sonntag Nachmittag war eindeutig die falsche Zeit.

Die Heizung ging abends natürlich immer noch nicht. Aber weil die Sonne tags geschienen hatte, waren es fast 20 Grad im Wohni, also gut auszuhalten. Ewald versuchte sich als Heimwerker, bekam mit Müh und Not die Verkleidung ab, suchte das Batteriefach und fand nichts. Zum Schluss bekam er leider nicht einmal die Abdeckung wieder drauf, so dass wir einen Wasserkasten davor stellen mussten, damit uns nicht alles in den eh´ schmalen Gang fiel. Nach dem Kochen, das dann noch etwas Wärme brachte, kuschelten wir uns in unsere Betten und schauten uns einen Maigret-Film auf DVD an. Ich besitze 12 DVD`s mit insgesamt 36 Maigret –Filmen (wenn Ewald mir etwas schenkt, übertreibt er gerne ein bisschen!), also wir können es noch lange in der Kälte aushalten.

Montag, 26. September Weiterfahrt

Am nächsten Morgen fand ich 15 Grad dann doch nicht mehr ganz so lustig und fragte zum ersten Mal so ganz nebenbei, was Ewald eigentlich vom nach Hause fahren halten würde, zumal das Wetter nun rapide schlechter und kälter werden sollte. Aber er war vollkommen entsetzt und ich wärmte den Wohni wieder mit unserem Backofen auf. Heute ließen wir alles ganz langsam angehen, also noch langsamer als sonst. Die Sonne schien immer noch, obwohl meine Wetter-App schon Regen in ganz Deutschland gemeldet hatte. So dachten wir, wir bleiben mal so lange wie es geht im guten Wetter und fahren erst möglichst spät weiter in die Holsteinische Schweiz. Das hatten wir gut gemacht, denn schon auf der halben Strecke fing es an zu nieseln und hörte auch nicht mehr auf. Das ging nun meiner Meinung nach überhaupt nicht mehr: Nässe und Kälte. Eins von beiden ist noch okay, aber beides zusammen führt bei mir augenblicklich zur Erkältung. Ich war fest entschlossen, die Frau an der Rezeption des neuen Campingplatzes entweder zur Hilfe oder zur Herausgabe unserer Anzahlung zu zwingen. War jedoch nicht nötig, denn der Campingplatz Spitzenort in Plön ist einfach Spitze! An der Rezeption war ein älterer Herr, der Seniorchef des Familienunternehmens, der es sofort für seine wichtigste Aufgabe hielt, unsere Probleme zu lösen. Zuerst schaute er sich persönlich unsere Heizung an und teilte uns mit, dass das Teil zu alt wäre, als dass er sich damit auskennen würde (was bei seinem Lebensalter schon ein erstaunliches Licht auf das Alter unserer Heizung warf!). Aber er kenne einen Mechaniker und den würde er anrufen. Aber es wäre heute schon zu spät und deshalb würde er uns erst einmal eine Elektroheizung mitgeben, damit wir die Nacht gut überstehen würden. Dann fuhr er uns mit dem Fahrrad voraus zu unserem Platz, währenddessen telefonierte er mit seinem Handy und wir hatten einen Reparaturtermin am nächsten Tag um 15.00 Uhr. Unglaublich, so eine Initiative! Und dabei so freundlich und gut gelaunt, als wären wir das Beste was ihm kurz vor Dienstschluss noch passieren konnte. Wenn einem so jemand begegnet, glaubt man doch gleich wieder an das Gute im Menschen und in der Welt. Also, ich glaube sowieso daran, aber wenn man einem solchen Menschen begegnet, bestärkt das einen doch noch einmal in seiner Auffassung. Um diesen Teil meines Berichtes zu beenden: wir hatten es ab dem Moment wieder wunderbar warm, der Mechaniker kam zur verabredeten Stunde, wechselte den Zünder aus (Dauer ca. 10 min), kassierte 150 Euro, war wieder weg, wir hatten es weiterhin kuschelig warm, jetzt wieder mit unserer eigenen Heizung, und waren 150 Euro ärmer. So schnell geht das!

Und hiermit verlassen wir Mecklenburg- Vorpommern und wenden uns Schleswig-Holstein zu, dem echten Norden.