Eigentlich wollten wir ja nach München, unseren Sohn besuchen und das Biergarten-Flair der bayrischen Hauptstadt erleben. Eigentlich wollten wir uns noch einen Tag lang die Fuggerstadt Augsburg anschauen und hatten diesen Aufenthalt schon in allen Einzelheiten geplant. Eigentlich – eigentlich – eigentlich…. Und dann kam alles ganz anders wegen ein paar Tränchen eines Enkelkindes! Unsere Leah hatte an dem Abfahrtstag Geburtstag – den 17. übriges, was bedeutet: sie ist dem Babyalter entwachsen – , aber das hat sie in keiner Weise daran gehindert, zuerst in wildes Geheul auszubrechen und danach in tiefe Depression zu versinken, weil ihre Großeltern an diesem Tag nicht anwesend sein werden. Dies wiederum löste augenblicklich im Herzen der Großeltern Stress und im Gehirn Leere aus – und bumm – hatte sich München samt Augsburg in Luft aufgelöst. So schnell geht das!
Aber auch hier gilt wiederum: Aufhalten lassen wir uns dadurch nicht! Mit einem Tag weniger lohnte sich München allerdings nicht mehr, aber ein neuer Plan war schnell gefunden. Nur eine Stunde von zuhause entfernt liegt vor den Toren Triers an der Mosel der Campingplatz Triolago, von dem uns unsere Freunde schon viel erzählt hatten. Den wollten wir besuchen und evtl. mit einem kleinen Besuch in Trier verbinden. In Trier hatte mein Arbeitsgeber seinen Hauptsitz, ich kenne es also gut, aber als Tourist die Stadt zu besuchen ist dann doch etwas anderes.
Dienstag, 7. September Am Rioler Triolago
Diesmal kamen wir wirklich früh los und waren schon eine Stunde später auf dem Campingplatz. Nach einem ausgiebigen Frühstück in der Sonne besichtigten wir zuerst einmal den kleinen See, um den sich der Campingplatz herumgruppierte. Nach einer kurzen Ruhepause machten wir dann einen größeren Bogen um die beiden anderen Seen und besichtigten einen sehr schönen Minigolfplatz und eine etwas heruntergekommene Wake-Board-Anlage. Aber den FahrerInnen zuzusehen ist halt immer ein Genuss und lässt keine Langeweile aufkommen. An einem Hotel und einer Sommerrodelbahn vorbei gingen wir zum Wohnwagen zurück.
Ein erster kleiner Ausflug in die Umgebung stand dann auch noch auf dem Programm. Die ganze Gegend hier wirbt mit dem Titel „Römische Weinstraße“ und auf der Hinfahrt hatten wir bei Longuich den Hinweis auf eine römische Villa gesehen. Die wollten wir uns jetzt anschauen. Mitten in den Weinbergen liegt die Rekonstruktion eines der Seitengebäude einer Villa urbana, die wahrscheinlich im 2. Jh. n. Chr. erbaut worden ist. Die ganze Villa muss wohl um die 100 m lang gewesen sein, also echt riesig, was darauf hindeutet, dass es wohl der Alterssitz eines höheren römischen Beamten in Trier gewesen sein muss. In dem rekonstruierten Seitentrakt hat man eine vollständige Badeanlage ausgegraben, ein Warmbad, ein Kaltbad, eine Sauna und einen Feuerungsraum, Wahnsinn! Von den phantastisch erhaltenen Latrinen ganz zu schweigen! Wir haben uns die Ausgrabungen länger angeschaut, konnten aber die einzelnen Teile nicht so ganz zuordnen. Jeden Sonntag um 10.30 Uhr ist eine öffentliche Führung, da werden wir mal mitgehen. Es ist jetzt keine riesige Ausgrabung, aber schon sehr interessant und vermittelt bestimmt einige Einblicke in das Leben zu römischer Zeit. Auf jeden Fall kann man rund um die Villa wunderbar in den Weinbergen spazieren gehen: Lucy war begeistert!
Danach machten wir noch einen kleinen Abstecher zur historischen Kirche von Riol, die sehr idyllisch auf einer bewaldeten Anhöhe über dem Ort thront und schon von weitem auffällt. Sie ist in ihrem Grundbestand schon sehr alt, von 1140, und hat uns sehr gut gefallen. Das Weiß der gedrungen wirkenden Kirche vor den grünen Bäumen, das hatte was!
Mittwoch, 8. September, In Trier
Wenn man sich so weit im Westen unseres Landes befindet und wenn die Benzinpreise die Höhe erreicht haben wie jetzt, bleibt einem nur eins übrig: Wir machen einen Abstecher nach Luxemburg zum Tanken und Kaffee kaufen! Dies war dann auch unsere erste Großtat an diesem Morgen. Und da wir jetzt ja schon mal in der Nähe waren, fuhren wir nach Trier hinein. Trier gilt als die älteste Stadt Deutschlands, von den Römern gegründet – Augusta Treverorum. Wir fanden einen Parkplatz ganz in der Nähe der Konstantin-Basilika und konnten dort gut mit unserem kleinen Trierer Stadtspaziergang beginnen. Die Konstantin-Basilika war ursprünglich eine Audienzhalle für die römischen Kaiser, die im 4. Jh. in der Stadt residierten. Sie ist bis heute zum allergrößten Teil noch im Originalzustand erhalten; Kaiser Konstantin könnte im Prinzip morgen wieder seine Amtsgeschäfte darin aufnehmen und müsste kaum etwas umbauen. Wenn ich davor stehe – man muss ein paar Stufen hinuntergehen, um auf dem Niveau zu sein, auf dem damals die Stadt lag -, erscheint sie mir unglaublich riesig, aber sie ist lediglich 33 m hoch, was für damalige Verhältnisse wohl völlig normal war. Wir sind dann kurz hinein gegangen, und von Innen erscheint sie mir in ihrer Leere um so riesiger. Ich stellte mir dann vor, dass damals wohl dort vorne in der Apsis der Kaiserthron stand und es ist ein ganz schön langer Weg vom Eingang bis dorthin. Auf diesen 75 Metern haben damals bestimmt die meisten Bittsteller ganz schön Muffesausen bekommen. Dieser ganze Raum ist architektonisch eine Machtdemonstration ersten Ranges. Und der Rückweg war für die Bittsteller wahrscheinlich noch schlimmer: Man durfte nämlich dem Kaiser nicht den Rücken zudrehen, habe ich gelesen. Heute ist die Basilika in Trier der größte, noch erhaltene Einzelraum des antiken römischen Reiches und eine evangelische Kirche. Als gläubige Christin muss ich sagen: Jetzt gehört diese ganze Macht wenigstens dem, dem sie gebührt und der damit umgehen kann.
Von dort sind es nur ein paar Schritte bzw. Treppenstufen und wir stehen vor dem Kurfürstlichen Palais. Das Palais ist direkt an die Konstatinbasilika angebaut (also eigentlich war es anders herum: der Palast stand auf dem Gebiet der Konstantinbasilika und im 18. Jh. wurde der Westflügel des Palastes niedergelegt, um die Konstantinbasilika dort wieder zu errichten, wo sie hingehört hatte). Auf jeden Fall sind die beiden heute ein Bauwerk und in ihrer Gegensätzlichkeit passen sie phantastisch zusammen, finde ich, der Barock-Rokoko-Palast und die antik-römische Palastaula – warum nicht?
Am schönsten gefiel uns aber der frühere Palastgarten, der heute als Park der Öffentlichkeit freigegeben ist und ein kleines Café an einem Teich enthält. Wenn wir vom Palast aus geradeaus weitergegangen wären, wären wir zu den Kaiserthermen gelangt, einem durchaus interessanten Touristenziel. Aber uns zog es jetzt mehr zum Dom. So umrundeten wir das Palais, fanden auf der Rückseite noch einen sehr interessanten Brunnen, der uns allerdings einige Rätsel aufgab, da auch kein Erklärungsschild irgendwo zu sehen war, überquerten die Straße und befanden uns schon in den kleinen Gässchen, die zum heutigen Dombezirk gehören.