Also, auf nach Rostock! Aber mit der bangen Frage im Hintergrund: Rostock… Rostock – lohnt sich das überhaupt?
Rostock ist nicht vergleichbar mit Stralsund, Wismar oder Lübeck, schließlich ist es im 17. Jh. fast vollständig abgebrannt und im 20. Jh. dafür noch einmal völlig zerbombt worden. Da kann man jetzt kein geschlossenes historisches Stadtbild erwarten, aber ein paar Kleinigkeiten gibt es doch noch zu sehen. Aber auch in Rostock gibt es erfinderische Menschen, die sich sagten: Okay, was kaputt ist, ist kaputt, in der Hanse-Liga können wir nicht mehr mitspielen, also versuchen wir halt was anderes: So besitzt Rostock über 300 Brunnenfiguren und Plastiken. Sie stehen überall rum und ich finde, es sind teils sehr interessante und lustige Stücke darunter.
Es war fast Sonntag Mittag, als wir unseren Rundgang am Neuen Markt begannen, und …. Die Stadt war menschenleer. Man glaubt es kaum. Der Neue Markt ist ein durchaus repräsentativer Platz, mit einer großen Plastik in der Mitte, einer Neptungruppe, die in ihren vier Figuren Aufbruch und Untergang widerspiegelt. Ich finde, das passt gut zu Rostock: große Hansevergangenheit, aber zweimal fast vollständig untergegangen, Hauptstadttitel an Schwerin verloren, aber heute wieder im Aufwind, sagt zumindest mein Reiseführer. Also, mir gefiel die Plastik jetzt nicht so gut, zu groß und die Tauben hatten auch schon sehr kräftig ihre Spuren hinterlassen. Was mir dagegen gut gefiel, war das Rathaus. Es war einst ein gotisches Backsteingebäude mit einer großen Schauwand an der Vorderseite, aber ein mutiger Bürgermeister setzt dann vor diese gotische Fassade einen damals hochmodernen barocken Vorbau. Und ich finde, es passt und mir gefällt`s. Supercool findet ich natürlich, wie auch die meisten anderen Menschen, dass sich eine der Rostocker Lieblingsplastiken am Rathaus befinden: die Rathaus-Schlange windet sich aus den barocken Säulen heraus. So was find ich lustig! Soll sie Weisheit symbolisieren oder eher doch die doppelzüngige Listigkeit einer Stadtpolitik?
Hinter dem Markt steht die größte Kirche Rostocks, die Marienkirche. Und vor ihr wieder eine überaus nette Plastik: Afrikanische Bergziege heißt die Figur. Sie schaut sehr misstrauisch Richtung Ziegenmarkt, kann man ja verstehen.
Von dort biegen wir in die Kröpelinstraße ein, Mittelpunkt der Stadt und Fußgängerzone – nur dass heute keine Fußgänger da sind. Von der hanseatischen Vergangenheit her gesehen ist es die wichtigste Straße, denn hier ist es so, wie in den anderen Hansestädten auch: eine wunderschöne Hausfassade reiht sich an die nächste. Aber es ist halt die einzige Straße dieser Art, die Rostock zu bieten hat.
Und sie ist auch relativ schnell wieder zu Ende. Der wesentliche Teil endet wenige 100 m weiter an der Universität. Davor steht allerdings die Lieblingsplastik aller Rostocker: der „Brunnen der Lebensfreude“, despektierlich, aber liebevoll von den Rostockern „Porno-Brunnen“ genannt, weil die Figuren alle nackt sind. Mehrere Gruppen von Menschen und Tieren vergnügen sich dort im Wasserspiel, im Mittelpunkt steht eine kleine, wie es aussieht glückliche Familie. Dort um diesen Brunnen herum soll eigentlich das Rostocker Leben pulsieren, aber heute pulsierte da mal gar nichts, es war halt Sonntag.
Wir gingen dann durch verschiedene Nebenstraßen wieder zu unserem Auto zurück und fanden dabei noch manch schönes Haus und manch schönen Innenhof. Wir lieben durchaus das Schöne, aber auch das Baufällige, das Hinfällige hat seinen Reiz. Aber diese Besichtigung hatte nicht so lange gedauert, dass sich die Fahrt schon gelohnt hätte und so wollten wir noch einen kurzen Abstecher nach Warnemünde, dem Stadtteil Rostocks an der Ostsee.
Ja, Warnemünde! Wir parkten am Bahnhof und gingen über die Brücke am Alten Strom und dann wussten wir, warum kein Mensch in Rostock gewesen war. Alle, aber auch alle waren in Warnemünde und wälzten sich über die Brücke und den Alten Strom entlang. Es waren so viele Menschen, man glaubt es kaum. Wir schwammen mit im Menschenstrom, rechts lagen die Fischkutter im Alten Strom, links standen die vielgerühmten Kapitänshäuser, für die Warnemünde so bekannt ist. Wir konnten sie nur nicht sehen, zum einen standen die Linden davor, zum anderen war in jedem Häuschen entweder ein Geschäft, die natürlich alle offen waren, oder ein Restaurant/Café zu finden, sogar einen Rossmann gab es da. Zusammen mit den vielen Menschen, die an den Fischkuttern anstanden für ein Fischbrötchen oder Eis/Kaffee in der Hand hielten …. Es war irgendwie nicht unser Ding, aber wir standen es tapfer durch!
Der Menschenstrom zog sich dann bis auf den Strand und die Mole hinaus. Da waren es dann natürlich etwas weniger Menschen, weil es da ja nichts mehr zu kaufen und zu essen gab. Wir fanden Platz auf einer Bank und schauten den einfahrenden Schiffen zu. Das war dann schön! Besonders gefiel uns eine Dreimast-Barkantine – so heißt das, ich hätte einfach gesagt: ein Segelschiff -, die wirklich majestätisch vor uns durch die Hafeneinfahrt glitt. Ewald konnte sich gar nicht satt sehen daran.
Dann gingen wir am Leuchtturm und dem Teepott, den beiden Wahrzeichen Warnemündes, vorbei in einer Seitenstraße wieder zurück. Da war es dann schon wesentlich ruhiger und es gab auch noch genügend schöne Kapitänshäuser zu sehen. Das war dann mehr unser Ding! Gut – Warnemünde! Vielleicht an einem Montagmorgen, Sonntag Nachmittag war eindeutig die falsche Zeit.