Montag, 17. April 2023 Anfahrt
Kurzentschlossen (da der Kurztrip auf die Zugspitze aus Wettergründen nicht stattfinden konnte) packten wir unseren Wohnwagen und brachen für drei Tage in die Pfalz auf. Da die Mandelbäume dort inzwischen abgeblüht hatten, mussten meine armen Augen keine rosa Überflutung mehr befürchten, außerdem war die Pfalz nur 200 km von uns entfernt und als besonders warme Gegend bekannt (Gemüsegarten Rheinpfalz steht an der Autobahn). Dadurch bestand der Ausblick allerdings kilometerweit nur aus eingepackten Gemüsefeldern: Spargel waren es in hügeligen Aufbauten, Frühkartoffeln in flachen Feldern. Der Ausblick war aber zu diesem Zeitpunkt unser kleinstes Problem.
Da wir – wie immer – zu spät weggekommen waren, wussten wir, dass wir vor der Mittagspause des Campingplatzes nicht mehr ankommen würden, und machten um 12.00 Uhr eine schöne, lange Pause auf dem Rasthof Wonnegau. Dort fanden wir hinter der Raststätte unverhofft einen wunderbaren Platz, der speziell für Autos mit Anhänger ausgeschildert war, aber auf dem niemand außer uns stand. Wir vesperten, machten Mittagsschlaf, gingen mit dem Hund in den Weinbergen spazieren (wir befanden uns noch in Rheinhessen) und es ging uns wunderbar. Wir fuhren auf die Autobahn zurück, in eine kleine Baustelle auf der Pfeddersheimer Talbrücke hinein und plötzlich spielten alle Autos um uns herum verrückt: blinkten, hupten, winkten. Im gleichen Moment fing das Lenkrad in meiner Hand an zu schlingern – eindeutig: ein Wohnwagenreifen war geplatzt. Gott sei Dank hatte ich aufgrund der anderen Autofahrer schon heruntergebremst und konnte den Wohnwagen zwischen zwei Pfosten in die Baustelle hineinlenken, so dass wir wenigstens keine Stau-Ursache darstellten. Da standen wir jetzt, völlig geschockt, Ewald schaute nach: richtig, der rechte Hinterreifen war geplatzt. Was jetzt? Natürlich: ADAC – die einzige Versicherung, die sich wirklich schon hundertfach für uns ausgezahlt hat! Einmal im Jahr müssen sie auf jeden Fall für uns arbeiten! Nur, das ist klar: ADAC dauert, da passiert nichts in 5 Minuten. Nachdem der Mensch in der Zentrale uns äußerte Priorität aufgrund unseres Standortes zugestanden hatte, dauerte es lediglich noch etwas über eine Stunde, bis der Monteur bei uns eintraf. Der arbeitete dann aber superschnell, zog unseren Reservereifen auf (wir wussten nicht einmal, dass wir einen hatten!) und dann konnten wir uns, von ihm eskortiert, mit Tempo 30 (schließlich hatte der Reservereifen in 23 Jahren etwas Luft verloren, also ungefähr so gut wie alle) über die Autobahn bis zur nächsten Ausfahrt bewegen. Und dann überholte er uns fröhlich, winkte und überließ uns unserem Schicksal. Gott sei Dank hatte Pfeddersheim eine Tankstelle, an der wir dann unser Reserverad aufpusten konnten. Puh, das wäre erstmal geschafft! Es waren noch ca. 50 Kilometer und die schafften wir dann auch langsam, aber sicher. Ewald verbot mir, schneller als 60 km/h zu fahren (schließlich war der Reservereifen nach 23 Jahren unter unserem Wohnwagen auch nicht mehr der Jüngste), aber das ging natürlich in einem Überholverbot auf der A 61 überhaupt nicht, so gemein kann keiner sein. Aber auf der A 65 tuckerten wir dann gemütlich vor uns hin, und die Bundesstraße zum Schluss war ja eh kein Problem. So erreichten wir gegen 19.00 Uhr unseren Campingplatz, alles gut gegangen, aber nervlich waren wir zwei Wracks. So hatten wir auch keine Kraft mehr, uns zu wehren, als wir einen Standplatz am Abgrund zugewiesen bekamen. Alles egal: jetzt halfen nur noch Wein, Salzbrezeln, Käse und vom Bett aus fernsehen. Lieber Gott, lass Morgen werden!
Dienstag, 18. April Neustadt an der Weinstraße
Es wurde Morgen und wir wachten nach einem geruhsamen Schlaf (der Schlaf am Abgrund scheint besonders tief und fest zu sein!) gekräftigt wieder auf. Die Suche nach neuen Reifen führte uns ins benachbarte Neustadt und nachdem wir schon mal da waren, dachten wir uns, dann schauen wir doch gleich mal, was Neustadt so zu bieten hat. Nicht, dass wir riesige Erwartungen gehabt hätten…..aber wir wurden nicht enttäuscht: ein lebendiges, kleines Städtchen mit einem wirklich schönen Marktplatz, der auch noch richtig geschichtsträchtig ist: Hier vor dem Scheffelhaus formierte sich 1832 der Festzug, der hoch zum Hambacher Schloss führte! Aber später davon mehr. Wir bewunderten den Löwen vor dem Eingang zum Rathaus (Neustadt führt den Löwen im Wappen) und besonders gefielen uns die beiden kleinen Mäuse, die zwischen seinen Pranken spielten. Das macht schon eine Aussage darüber, was für eine Art von Löwe die Neustädter in ihrem Wappen führen wollen!
Neustadt hat einen schönen Altstadt-Rundgang ausgearbeitet, dem wir teilweise folgten und fanden dadurch den Steinhäuser Hof mit seinem wunderbar restaurierten Innenhof.
Dann gingen wir noch durch die Metzgergasse, eine enge Gasse, die noch stark an die Straßenstrukturen der Spätgotik und Renessaince erinnert. Viele Torbögen tragen noch die Zunftzeichen der Metzger. Haus Nr. 3 ist eines der ältesten Fachwerkhäuser der Pfalz und ist im Jahre 1382 erbaut worden.
Als letztes folgte der für mich interessanteste Teil: der neue Wasserlauf des Speyerbaches und der Elwedrittsche-Brunnen. Als letztes folgte der für mich interessanteste Teil: der neue Wasserlauf des Speyerbaches und der Elwetritsche-Brunnen. Die Stadt hat eine Projekt ausgerufen: Wasser in der Stadt. Früher floss der Speyerbach durch die gesamte Innenstadt, dann wurde er natürlich, wie überall, verrohrt und unter das Straßenpflaster verlegt. Jetzt soll das Wasser in der Neustädter Innenstadt wieder erleb- und vor allem bespielbar werden. Und ich finde, sie haben das sehr schön gemacht: der künstliche Bachlauf ist nur an einer Seite eingefasst, an der anderen läuft er einfach auf das Pflaster aus, so dass die Kinder schön hineinlaufen und darin spielen können. In regelmäßigen Abständen sind Sitzblöcke, die mit kleinen Kunstwerken geschmückt sind: kleine Eidechsen, Mäuschen, Elwetrische-Eier. Der neue Bachlauf beginnt am Elwetritsche Brunnen, der ja ein besonderes Kunstwerk in der Neustädter Innenstadt darstellt, weshalb ich ihm unten einen ganzen Exkurs gewidmet habe.
Exkurs: Die Elwetritschen
Was dem Bayer sein Wolpertinger, dem Tibeter sein Yeti ist dem Pfälzer seine Elwetritsche: ein Fabelwesen, was aus Kreuzungen von Hühnern, Enten mit Kobolden und Elfen entstanden sein soll. Elwetritschen leben von daher im Unterholz des Pfälzer Waldes, sie sind aber auch schon öfter unter Rebstöcken gesehen worden. Ihre Flügel können sie kaum gebrauchen, dafür haben sie aber besonders lange, spitze Schnäbel, mit denen sie sich gut verteidigen können. Elwetritsche legen als Abkömmlingen von Hühnern natürlich Eier, jedoch wachsen diese während der Brutzeit, was wiederum auf die Abkunft von Zaubergeistern hindeutet.
Das Fangen einer Elwetritsche gelingt in dunklen Neumondnächten am besten, dazu benötigt man einen Grumbeersack, eine Stalllaterne … und viel, viel guten Pfälzer Wein. Er schützt nämlich vor Angriffen der Elwetritschen. Obwohl das kaum nötig wäre: Elwetritschen sind nämlich scheue, einfühlsame Wesen mit viel Elfenblut, deren Anblick dem Beobachter Glück bringen soll, weshalb man sie auch nicht fangen, sondern nur beobachten (und vielleicht ein Foto machen!) soll.