Tulpenblüte in Holland – bei unseren Nachbarn zu Besuch

Vorbereitungen

Nach dem kurzen Abstecher nach Bad Mergentheim zu Fastnacht sollte Anfang April endlich wieder die Reisesaison beginnen. Wohin fährt man Anfang April? Die meisten würden sagen: in die Alpen zum Skifahren oder in den Süden zum Aufwärmen. Diese beiden Möglichkeiten stellten sich für uns leider nicht, da uns durch Ewald`s letzte Theateraufführung (Loriot’s gesammelte Werke) am 31. März und dem Beginn der Osterfeierlichkeiten (Ankunft unserer Kinder) am 6. April lediglich sechs Tage blieben, von denen wir zwei zum Packen des Wohnwagens brauchten: also blieben mickrige vier übrig. Lohnt sich kaum, würden jetzt wieder manche sagen. Kein Grund, den Saisonauftakt zu verschieben, sagen wir! Also, wohin? Auch uns boten sich zwei Möglichkeiten: zur Mandelblüte an die Pfälzer Weinstraße oder zur Tulpenblüte nach Holland. Ewald war es – wie meistens – egal, Hauptsache: Wohnwagen! Also entschied ich mich für die Tulpen; rosa war noch nie so meine Farbe. Es gibt zwar auch rosa Tulpen, aber die sind eindeutig in der Minderheit, und gelb-rote Mandelbäume gibt es eindeutig – zumindest bis jetzt – noch nicht. Also, das Land war schon einmal entschieden, jetzt der Campingplatz. Die Küsten-Campingplätze waren mir wieder mal zu teuer, noch weigere ich mich, 45 Euro pro Nacht zu bezahlen, nur damit ich meinen Wohnwagen irgendwo hinstellen kann. Ich war letztes Jahr schon einmal mit dem Reisebus in den Niederlanden (ich weiß, ich habe es euch nicht verraten), und da ist mir ein kleines Städtchen positiv aufgefallen: Amersfoort. Kennt keiner, liegt direkt neben Utrecht, hat auch nur ein Hotel, und von daher minimal Touristen. Hat aber alles, was ein holländisches Städtchen nach deutscher Meinung haben muss. Ihr werdet sehen! Und direkt neben Amersfoort fand ich was ganz Niedliches: Camping auf dem Bauernhof. Nur 25 Stellplätze auf der ehemaligen Kuhwiese und ganz viele Tiere, nur die Kühe hatten sie abgeschafft, statt dessen standen jetzt da die Wohnwagen. Angemeldet, alles gut, wir dürften sogar sonntags ankommen, wo der Bauer sonst eigentlich seine Ruhe haben will. Am 1. April sagte er uns dann ab: seine Wiese stände durch den dauernden Regen unter Wasser. Leider kein Aprilscherz. Außerdem hätten wir das schon ahnen können: Schließlich mussten wir unseren Wohnwagen ja auch durch den Traktor des Nachbarn aus unserer Wiese ziehen lassen …. und die Matsche danach will wirklich kein Mensch. Gut, der Campingplatz, den wir letztendlich fanden, liegt weit weg von allem , was wir besuchen wollen, aber er kostet nur 30 Euro und gefällt uns ganz ausgezeichnet: „Vakantijepark Het Grote Bos“, irgendwo im Wald im Südosten von Utrecht.

Sonntag, 2. April Amersfoort

Nachdem der Wohnwagen unter einigen Anstrengungen die nasse Wiese verlassen hatte, verlief die Anfahrt nach Holland ohne ein Problem. An Mönchengladbach vorbei , immer die 61 hoch. Auch der Check-In verlief reibungslos und wir fanden einen schönen Stellplatz als einzige auf einer riesigen Wiese, wie ihr auf obigem Bild sehen könnt. Nach einem kurzen Schlummer machten wir uns auf den Weg nach Amersfoort. Und es war genauso wunderbar, wie ich es in Erinnerung hatte. Es besitzt einen der höchsten mittelalterlichen Kirchtürme in den Niederlande, den Onze-Lieve-Vrouwetoren (unserer lieben Frau – Turm), die dazugehörige Kirche wurde 1787 bei einer Explosion zerstört, nur der Turm blieb stehen und ist jetzt das Wahrzeichen der Stadt. Vor dem Turm ist ein wunderhübscher Platz mit vielen Lokalen und im Sommer wahrscheinlich regem Leben. Ordentlich etwas los war auch auf dem Marktplatz vor der St.Georgskirche – ich erspare euch mal im weiteren die holländischen Namen, nur den mit der lieben Frau fand ich so hübsch.

Hinter der Kirche fanden wir dann ein Pfannkuchenhaus, das uns geradezu magisch anzog. Seit Mayen seit vielen Jahren keines mehr hat, fehlt uns nämlich wirklich etwas. Ewald bestellte einen deftigen mit Hackfleisch und Salat und ich als Nachtisch einen mit Äpfel, Bananen und Grand Manier. Die beiden teilten wir dann freundschaftlich, ein Gerangel wie in Loriots „Kosakenzipfel“ ersparten wir uns. Es war wirklich ausgesprochen lecker.

Dann spazierten wir weiter durch das mittelalterliche Städtchen mit seinen vielen kleinen Häuschen, Grachten und Plätzen und erreichten schlussendlich das Highlight des Städtchens: das Koppelpoort, ein kombiniertes Land-Wasser-Stadttor aus dem 18. Jh. Das reichte uns für einen ersten abendlichen Rundgang und wir fuhren zufrieden die 14 km bis zu unserem waldreichen Campingplatz.

Montag, 3. April Keukenhof

Am nächsten Morgen um 6.30 Uhr streckte ich mein Näschen aus dem Kissen und stellte fest, dass hier irgendetwas nicht stimmen kann: Es gefror nämlich augenblicklich zu Eis. Ein kurzer Griff an die Heizung stellte fest: Kein Gas! Der Wohnwagensachverständige muss her! Egal, wie tief er noch schlief. Ständig vor sich hin murmelnd: „Ich bin doch noch gar nicht wach“, wechselte er die Gasflasche und wollte sich wieder hinlegen. Doch leider war ich inzwischen zu Hochform aufgelaufen: Der frühe Vogel fängt den Wurm. Und wer zuerst am Keukenhof ist, gewinnt das Rennen! Sofort wurde das Frühstück zelebriert und Ewald`s Müdigkeit mit einem ersten Heißgetränk begegnet, was allerdings noch nicht so richtig half. Auch als er um 8.30 Uhr im Auto saß, war er immer noch der Meinung, dass er eigentlich noch gar nicht aufgewacht ist und versank sofort in tiefem Schlummer. Gott sei Dank war er, wie immer, nur der Beifahrer. Dank völlig überfüllter Autobahnen brauchten wir für die 80 km gute 1 ½ Stunden. Punkt 10.00 Uhr fuhren wir auf den Parkplatz und waren schätzungsweisen noch unter den ersten 1000. Das konnten wir später als Erfolg verbuchen, im ersten Moment brachte mich aber die Menge der Autos schon aus der Fassung. Aber es lief alles erstaunlich gut: am Ticketschalter war genau ein Mann vor mir und der wusste auch noch, was er wollte (wovon man bei Männern nicht unbedingt ausgehen kann, s. Loriot`s „An der Theaterkasse“). Und am Eingang waren wir schneller durch, als wir gucken konnten: die Schnelligkeit, mit der der Mann dort die Karten scannte, war wirklich atemberaubend. Und dann waren wir drinnen und es war wirklich traumhaft schön.

Leider waren wir noch etwas früh im Jahr: Die Tulpen blühten (meist) noch nicht, dafür waren die Krokusse schon verblüht, aber die Hyazinthen und vor allem die Osterglocken erstrahlten in voller Pracht.

Und es ist halt einfach ein wunderschöner Park. Für uns als Gartenliebhaber: Ein Traum! Und die vielen tausend Menschen verliefen sich im Park vollkommen. An manchen Stellen z.B. an der Mühle stauten sie sich schon ein bisschen, aber im großen Ganzen war es selbst für mich noch sehr erträglich.

Aber nach gut drei Stunden waren wir durch, obwohl wir uns wirklich nicht gehetzt und auch „gemütlich“ Kaffee und Kuchen zu uns genommen hatten. Allerdings hatten wir auch nur die große Tulpenhalle besucht und die anderen Gewächshäuser außen vor gelassen, weil sie uns nicht so interessierten. Der Park war unser großes Highlight! Und wir können nur sagen: Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall, oder auch zwei! Keukenhof, wir kommen wieder!

Dienstag, 4. April Doorn und Austerlitz

Eigentlich wollten wir heute das Schloss und vor allem den Barockgarten Het Loo besichtigen, aber der wird erst am 22. April wieder geöffnet: Also ein freier Tag. Aber als ich zum Frühstück erwähnte, dass sich die nächste Bäckerei um Brot zu kaufen in einem Ort namens Doorn befindet, war Ewald wie elektrisiert. Das Doorn? Ja…nein… keine Ahnung… liegt 4 km von hier und dort gibt es eine Bäckerei. Dort muss es, lt. Ewald, vor allem ein Schloss geben, das Schloss, in dem Kaiser Wilhelm II nach seiner Abdankung bis zu seinem Tod im Exil gelebt hat. Und dort ist er auch begraben, unser letzter Kaiser. Also, es riss mich jetzt nicht gerade vom Hocker, sofern ich auf einem gesessen hätte, aber wenn Ewald da unbedingt hin muss…Was tut man nicht alles aus Liebe? Außerdem hatten wir ja heute einen freien Tag.
Nicht einmal Schloss heißt es, sondern schlicht und einfach: Huis Doorn. Durch ein noch relativ repräsentatives Torgebäude betraten wir den weitläufigen Park, der hauptsächlich aus einer großen Wiese, einer kleineren Wiese und vielen Bäumen bestand. Aber die Magnolien blühten mit den Narzissen um die Wette und erfreuten unser Herz. Huis Doorn ist ein Wasserschloss, relativ einfach gehalten wie wahrscheinlich alle Schlösser hier in der Gegend (das königliche Schloss Het Loo ist auch nicht unbedingt ein Vorzeigestück!): Wilhelm II. wird sich hier wahrscheinlich vorgekommen sein wie in einer Armensiedlung, aber da kriegt er von mir kein Mitleid!

In der Sichtachse zum Schloss steht das Mausoleum, in dem der Kaiser begraben ist. Wir, also vor allem Ewald, schauten durch das Fenster auf seinen mit einer Brokatdecke bedeckten Sarg, zwei Kerzenleuchter davor, zwei Kerzenleuchter dahinter, aber auf dem Boden davor zwei große Kranzgestecke mit frischen Blumen. Kein Reichsbürger war weit und breit zu sehen (also es war in dem Park überhaupt kein Mensch außer uns!), aber die Gestecke sahen echt aus, als wären sie gerade erst hingelegt worden.

Nun, sagen wir mal so: Mein Wissensstand ist mal wieder erheblich erweitert worden. Im Gegensatz zu Ewald, bei dem das Kaiserreich und Wilhelm II. (einschließlich Doorn) zum festen Bestandteil seines Geschichtswissens gehört, bestand meine humanistische Grundbildung fast ausschließlich aus Griechen und Römern, dann wurden 1800 Jahre einfach übergangen, und mein Geschichtsbewusstsein setzt mit dem Nationalsozialismus wieder ein. Von daher hat diese Welt mir noch einiges zu bieten, was sich dann auch in den nächsten zwei Stunden zeigte.

Nachdem wir Brot gekauft hatten (und holländische Waffeln zum Kaffee und Blätterteigstangen als Abend-Snack), wollten wir uns einfach noch ein bisschen die Gegend, die hier ausschließlich aus Wald besteht, anschauen. Ich liebe Bäume, also auch Wald, aber so richtig erst, wenn sie Blätter haben, also jetzt noch nicht. Aber schon nach einigen Kilometern sahen wir ein Hinweisschild: Austerlitz 4 km und dann noch eins als Hinweis für die Touristen: Die Pyramide von Austerlitz 3 km. Das Austerlitz? Liegt das hier? Ja…Nein…Vielleicht…? Diesmal war sogar Ewald unsicher, leicht unsicher. Ich brachte einen eher praktischen Grund ein: Ewald, hier ist Wald. Wie wollen die hier eine große Schlacht geschlagen haben, die Gegend hier ist mehr was für Guerilla-Krieg. Ewald dachte natürlich mehr geschichtlich: Das war Napoleons große Schlacht. Dafür sind wir aber hier noch ein bisschen zu nah an Frankreich. Wir entschieden, es konnte nicht das Austerlitz sein, aber die Was-auch-immer-Pyramide mitten im Wald in Holland wollten wir uns dann doch anschauen. Nur für alle, die es auf Anhieb auch nicht wissen: Austerlitz liegt im damaligen Mähren, also im heutigen Tschechien. Napoleon kämpfte dort 1805 gegen eine Allianz von Russland und Österreich und gewann überwältigend. Die Pyramide von Austerlitz entstand schon ein Jahr vorher, also 1804, und keiner kannte damals ein Dorf dieses Namens im Nirgendwo von Mähren. Ein napoleonischer General namens Marmont hatte hier im Wald ein Heereslager eingerichtet und 18.000 Soldaten zusammengezogen, mit denen er hier Krieg übte. Und aus Spaß ließ er die Soldaten auf der höchsten Stelle dieses Flachlandes eine Pyramide mit einem hölzernen Obelisken bauen, wie er sie auf dem Ägypten-Feldzug von Napoleon gesehen hatte. Die Bewohner nannten diesen Hügel Marmotberg. General Marmot zog mit seinen Truppen weiter nach Deutschland, der Marmotberg blieb zurück und wurde ein Jahr später vom Bruder von Napoleon Bonaparte in die „Pyramide von Austerlitz“ umbenannt und das kleine Dorf, das aus dem Heerlager entstand, hieß seitdem Austerlitz.

Also echt: Was ich an einem einzigen Tag alles gelernt habe: Kaiser Wilhelm II. und dann auch noch Napoleon; Doorn und dann noch Austerlitz. Da kann man nur sagen: Reisen bildet!!!!