Auf Mädelstour in Hamburg

Vor vielen Jahren haben wir uns an Fastnacht kennnengelernt, heute sind wir Freundinnen, die zusammen verreisen. Wer einen runden Geburtstag feiert, darf sich eine Stadt aussuchen, die wir dann für ein verlängertes Wochenende besuchen. Zehn Frauen – zehn Jahre, klappt nicht immer, aber dann schieben wir halt ein bisschen. Schon letztes Jahr stand Hamburg fest, aber wegen Corona verschoben wir es auf dieses Jahr. Schnell war ein Hotel gefunden, das Hotel Tiefenthal in Hamburg-Wandsbeck, das uns alle sehr begeisterte. Die Zimmer sind groß, funktional, aber geschmackvoll eingerichtet, sehr sauber, wir haben uns dort sehr wohlgefühlt. Das Frühstück ist vielseitig, alles da, was das Herz begehrt, viele Salate und Milchspeisen hygienisch in kleine Gläschen abgefüllt. Nur das Hantieren mit Mundschutz und Handschuhe war manchmal etwas schwierig, man sah aus, als wolle man an den OP-Tisch, wenn man sich dem Buffet näherte. Ja, der Virus lebt, Aber Hauptsache: es gibt wieder Frühstückbuffet! Das Hotel befindet sich in Hamburg-Wandsbeck, aber Dank der U1, die genau vor dem Hotel abfährt, ist man in kürzester Zeit überall in der Stadt und kommt auch noch spätnachts super nach Hause. Alles in allem: Wir haben uns alle im Hotel Tiefenthal sehr wohl gefühlt und können es nur weiterempfehlen.

Schnell hatten wir uns diesmal auf die wesentlichen Programmpunkte geeinigt: Hafenrundfahrt natürlich, eine Fahrt mit der „Roten Linie – Hop-On-Off-Bus“ für den Überblick, ein Besuch in Schmidt`s Tivoli und eine Kieztour mit einer Dragqueen wurden noch gewünscht und auch entsprechend gebucht. Dann war es soweit: Hamburg, wir kommen!!!

Freitag, 15. Oktober Auf nach Hamburg

Schon früh, um Viertel nach sieben, fuhr unser Zug vom Koblenzer Hauptbahnhof ab. Die 5-stündige Zugfahrt verging wie im Flug, die Vorfreude auf das verlängerte gemeinsame Wochenende (und etwas Sekt, aber wirklich nur etwas!) taten das Übrige. Es geht uns super gut! Mit nur 20 Minuten Verspätung (Danke, DB!) kamen wir in Hamburg Hbf an, stiegen in den U-Bahn um und waren schnell an unserem Hotel in Hamburg-Wandsbeck. Einchecken, ein wenig ausruhen und dann ging es gleich los! Zuerst einmal sich ein bisschen orientieren: Wir fuhren zum Jungsfernstieg und gingen an der Binnenalster spazieren. Die vielen Hockerschwäne fielen uns auf; später erfuhren wir, dass die Schwäne auch ein Wahrzeichen von Hamburg sind und bei Strafe nicht verletzt oder gegrillt werden dürfen.

Weiter schlenderten wir durch die Alsterarkaden, wobei wir besonders die älteste und schönste Passage bewunderten: die Mellin-Passage. Ein kleiner Kaffee unter den Arkaden rundete diesen Teil unseres Spazierganges ab.

Dann überquerten wir den Fleet auf einer der zahlreichen Brücken und erreichten das Rathaus. Wir streichelten den Löwen, der den Eingang zum Innenhof bewachte und er ließ uns durch. Dann bewunderten wir den Brunnen im Hof und warfen auch einen Blick in die Eingangshalle, die mit ihren Spitzbögen, Säulen und Kapitellen stark an eine Kirche erinnerte.

Dann beeilten wir uns, wieder nach Hause zu kommen, denn wir hatten am Abend noch einiges vor. Wir hatten bei Olivia Jones Kieztouren eine Führung mit der Drag Queen Veuve Noir gebucht und waren sehr gespannt. Wir trafen im Innenhof von Olivias Show Club auf ca. 100 andere Menschen, die aber alle verschiedene Führungen gebucht hatten. Wir waren zusammen eine Gruppe von 15 Personen und bekamen einen Aufkleber, der uns als Teilnehmer der Tour Drag*attack von Veuve Noir auswies. Veuve Noir selbst, ja was sagt man da: Er /Sie sah etwas ungewöhnlich aus für eine DragQueen: ganz in Schwarz gekleidet und entsprechend geschminkt, kein Glitzer und kein Flitter, trug er/sie keine knallbunte Perücke, sondern seine eigenen blonden, etwas längeren Haare. Er sah eigentlich nicht schrill aus, bediente aber im 1. Teil der Tour von seinem Verhalten und seiner Sprache her jedes passende Klischee. Die Führung war sehr informativ, Veuve erzählte uns jede Menge über St. Pauli, über die Geschichte dieses Stadtteils und die Veränderungen im Laufe der Zeit. Aber erst gegen Ende, am Spielbudenplatz, wurde er/sie persönlich und erzählte über sein Engagement in Kitas und Schulen, wo er sich für Gleichheit und Akzeptanz der verschiedenen Lebensformen einsetzt. Und wir merkten, dass ist seins, das ist ihm wichtig und damit beeindruckte er uns. Dadurch bekam seine Führung, die vorher an der Oberfläche entlang geplätschert war (s. Klischees), eine besondere Tiefe: Hier ist ein Mensch, der hat eine Botschaft, die für die Menschen wichtig ist und da ist es egal, ob es ein Mann oder eine Frau ist. Wir fanden alle die Führung sehr gut: Veuve Noir und seine/ihre Botschaft von der Freiheit der Wahl der Lebensformen, der Akzeptanz und der Gleichheit aller Menschen beeindruckte uns tief.

Samstag, 16. Oktober, morgens: Im Hamburger Hafen

Hafenrundfahrt – Hamburg ohne diesen Programmpunkt ist nicht denkbar. Doch wir buchten nicht eine der überall angebotenen Fahrten, sondern schifften uns auf der Fähre Nr. 62 nach Finkenwerder ein. Ich hatte gelesen, dass man mit dieser Fähre alles Wichtige des Hamburger Hafens sehen kann und die Tageskarte des HVV, die wir alle als Gruppenkarte hatten, als Fahrticket ausreicht. In einer Stadt, die so am Wasser lebt wie Hamburg, sind Fähren sowas wie Busse und U-Bahnen. Wir hatten schöne Plätze am Oberdeck, mussten aber leider, da die Fähre ein öffentliches Verkehrsmittel ist, die ganze Zeit den Mundschutz anbehalten. Das ist halt – gerade im Freien – dann doch etwas lästig. Die Tour ging von der Landungsbrücke 3 zum Fischmarkt, dann über Dockland, ein modernes Gebäude mit einer tollen Aussichtsplattform, nach Övelgönne. Unterwegs kamen wir noch an einem Kreuzfahrt-Terminal vorbei und konnten eine riesige Aida bestaunen. Da kommt man sich echt ganz klein vor.

Beim dortigen Halt konnten wir die Schiffe im Museumshafen bewundern, danach den Elbstrand bestaunen – dass es in Hamburg einen echten Strand gibt! Wow!!! – und die eine oder andere feine Villa in Blankenese durch die Bäume lugen sehen.

In Finkenwerder drehte die Fähre dann und auf der Rückfahrt konnten wir die ganzen Hafenanlagen bewundern. Und gerade als wir die Elbe wieder überquerten, begegnete uns noch einer der ganz dicken Pötte, voll beladen mit Containern. Da war ich froh, dass wir nicht in einer kleinen Barkasse saßen, sondern auf einem richtigen Schiff. Dadurch wirkte das Teil nicht ganz so riesig.

Vor den Landungsbrücken drehte die Fähre noch eine Runde, um in Fahrtrichtung anlegen zu können, so dass wir noch einen schönen Blick auf die Elbphilharmonie mit dem davor liegenden ehemaligen Bananendampfer San Diego und die im Hafen fest liegende Rickmer Rickmers bekamen.

Es war eine sehr schöne und interessante Tour, die ca. 1 1/4 Stunden dauerte und uns viele Aspekte des Hamburger Hafens nähergebracht hat. Wenn mehr Zeit gewesen wäre, hätten wir auch noch mit der einen oder anderen Fähre direkt an der Elphi vorbei fahren und uns diesen Teil des Hafens anschauen können, aber für einen ersten Eindruck reichte es schon einmal und, wie gesagt, es hatte uns nichts weiter gekostet als die Tageskarte, die wir ohnehin schon hatten.

Samstag, 16. Oktober, nachmittags: In Schmidts Tivoli

Nach langem Hin und Her – Nein, König der Löwen haben wir schon gesehen – Nein, Elbphilharmonie ist zu teuer – Nein, Ohnsorg-Theater ist zu altbacken – haben wir uns, man glaubt es kaum, einstimmig auf eine Revue in Schmidts Tivoli auf St. Pauli einigen können: die „Heiße Ecke“ wurde gespielt, 24 Stunden im Leben auf St. Pauli. Und, ob ihr es glaubt oder nicht, es war eine gute, eine sehr gute Entscheidung! Wir hatten für Samstagnachmittag 15.00 Uhr reserviert und hatten so für 50 Euro pro Person Plätze im vorderen Teil rund um einen Tisch und es war wirklich schön und sehr sehenswert, mit viel Gesang und Tanz, mit lustigen und traurigen Szenen, das ganze Leben halt, wie es so spielt. Und es war gut, dass wir am Abend vorher die Führung bei Veuve Noir hatten, sonst hätten wir manche Anspielung und manchen Witz über St. Pauli gar nicht richtig verstanden. Auf jeden Fall: Zwei Stunden lang gute Unterhaltung: Jederzeit wieder!

Danach gingen wir durch die Stadt hinunter zur Deichstraße, in der damals 1842 das große Feuer ausbrach, das große Teile der Hamburger Innenstadt vernichtete. In der Deichstraße stehen die letzten sogenannten althamburgischen Bürgerhäuser, die das Feuer, den 2. Weltkrieg und etliche städtische Abrissmaßnahmen überlebt haben. Durch schmale Gänge kann man hinunter an den Nikolaifleet, wo ein Ponton verankert ist, so dass man die Fachwerkrückseiten der Häuser wunderbar sehen kann. Zur Straßenseite hin sind sie nämlich mit repräsentativen Fassaden ausgestattet. Allerdings wollten wir uns weniger die Häuser anschauen – was wir natürlich auch taten – , als dort im Restaurant „Kartoffelkeller“ zu Abend essen. Das Restaurant befindet sich im Keller eines dieser alten Bürgerhäuser und ist wirklich sehr urig mit seinen niedrigen, spitzbogigen Gewölbedecken. Das Essen war lecker, aber leider waren die Portionen nicht wirklich groß, was ich beim Thema Kartoffel finanziell nun wirklich nicht verstehen kann. Danach gingen wir noch die paar Schritte hinunter zum Hafen und nahmen im „Alten Feuerschiff“ noch einige Cocktails als Absacker zu uns. Auch dort war es auch sehr urig und gemütlich und wir haben uns sehr wohl gefühlt.

Sonntag, 17. Oktober: Mit dem Hopp-On-Off-Bus

Für den Sonntag wollten wir es etwas ruhiger angehen lassen und Hamburg mit dem Hopp-On-Off-Bus erkunden. Der Plan sah vor, erst einmal gemütlich eine ganze Runde (1 1/2 Stunden) zu drehen und bei der 2. Runde dann auszusteigen, wo es etwas für uns zu sehen gibt. Hamburg hat vier verschiedene Buslinien, die alle die relativ gleiche Runde fahren und auch alle das Gleiche kosten (18,50 €). Einzig die Zeiten, wie oft die Busse fahren, sind unterschiedlich. Die Roten Busse, die Linie A, fährt alle 15 Minuten, die anderen nur eins- bis zweimal die Stunde. Und hier unterlief uns gleich zu Anfang der grundlegende Fehler. Da ich mein Wissen aus eigenen Gründen ( wer mag schon Klugscheißer!) nicht mit den anderen geteilt und auch nicht die Geldhoheit hatte, saßen wir schneller in einem Bus der Klassik-Linie C, als ich schauen konnte. Immerhin aber zum Rentnerpreis von 16.- Euro. Diese Linie fährt rund um die Außenalster, was mir sehr gut gefiel, da ich Wasser in jeder Form liebe (außer zum Trinken!). Durch die Innenstadt zog es sich dann aber doch sehr, so dass wir schon bei der 1. Runde am Michel ausstiegen.

Doch es war Sonntagmorgen und die Michaeliskirche wegen Gottesdienst für Besucher geschlossen. In ungefähr einer halben Stunde würde wieder geöffnet. Es nieselte leicht, was machen wir jetzt?

Wir gingen in die historischen Krameramtsstuben, eine kleine Straße neben dem Michel, in der zumindest baulich die Zeit seit dem 17. Jh. stehengeblieben ist. Die Krameramtsstuben bilden die letzte geschlossene Hofbebauung aus dem 17. Jh. in Hamburg. Sehr interessant, wenn man sich vorstellt, dass früher die ganze Stadt so ausgesehen hat, so eng, so winzig, wie im Puppenhaus. Es gibt auch ein kleines Museum, wo man ein solches Haus von innen besichtigen kann, aber leider nicht am Sonntag! Ansonsten, nun ja, wie immer bei solchen Gelegenheiten: in jedem Haus war irgendein Touri-Geschäft untergebracht, Teeladen, Andenkenladen und ein Restaurant haben sie auch noch reingepferscht. Gott sei Dank, war an einem regnerischen Sonntagmorgen nicht allzu viel los.

An der nächsten Straßenecke stießen wir noch auf die Statue eines Hamburger Originals. Das Denkmal erinnert an die Zitronenjette, eine kleine Frau, die Mitte des 19. Jh. Tag und Nacht in Hamburg und St. Pauli unterwegs war und ihren kargen Lebensunterhalt durch den Verkauf von Zitronen verdiente. Mal ein würdiges Denkmal zur Erinnerung an eine der Kleinen dieser Welt!

Da noch etwas Zeit war, (der Busfahrer hatte uns gesagt, er würde in einer Stunde wieder vorbei kommen), gingen wir noch die paar Schritte bis zur Nikolaikirche. Die ehemalige Hauptkirche von Hamburg ist im Krieg zerstört worden, wurde nicht wieder aufgebaut, sondern als Mahnmal und zentrale Gedenkstätte für die Opfer des NS-Regimes so belassen. Heute stehen neben dem Turm noch die südliche Außenmauer und die Wände des Chores. Auf der Freifläche, wo einst der eigentliche Kirchenraum war, ist heute ein ‚Platz der Ruhe‘. Unten im Turm ist ein Carillon, ein Glockenspiel von 51 Kirchenglocken.

Als wir dann wieder am Michel ankamen, wurde uns mitgeteilt, dass jetzt leider ein Besuch nicht möglich sei, da eine Taufe stattfinden würde. Okay, Michel, das war`s dann! Dich besichtigen wir nicht!
Überpünktlich standen wir dann wieder an der Bushaltestelle, um unseren Bus ja nicht zu verpassen. Und das standen wir! 3 Busse der A-Linie kamen nacheinander an, aber keine C. Gerade als wir aufgeben wollten und mit einem städtischen Bus weiterfahren wollten, kam dann doch noch einer. Wir fuhren dann die Runde durch die Speicherstadt und die Neue Hafencity bis zum Endpunkt am Hauptbahnhof fertig. Aber dann beschlossen wir, dass es mit öffentlichen Verkehrsmittel einfach schneller geht und fuhren mit der U-Bahn zu unserem nächsten Programmpunkt Elbphilharmonie und Speicherstadt, wo wir noch das Gewürzmuseum besichtigten und uns mit Gewürzen aus aller Welt in einem kleinen Laden nebenan eindeckten.
Abschließend kann ich zu dieser Hopp-On-Off-Sache zumindest für Hamburg sagen: Fahrt eine Runde mit der U3, die hauptsächlich an der Oberfläche verläuft, und dann mit dem Bus 111 der Hamburger Hochbahn. Damit kommt ihr mit der Tageskarte für 6,70 Euro an allem vorbei, was wesentlich ist, und zwar im Fahrtakt von 20 min.

Dann gingen wir am Hafen entlang zum Fischrestaurant „Störtebeker“, wo wir zum Abendessen reserviert hatten. Es hat eine schöne Außenterrasse zum Hafen hin, ist aber innen eher praktisch-steril eingerichtet. Der Fisch war lecker, die Bedienung freundlich, der Blick auf die Elbe und den Hafen schön, nur gemütlich war es halt nicht. Also wenn klagen, dann auf ganz hohem Niveau. Danach gingen wir etwas oberhalb der Hafens entlang bis zu dem Landungsbrücken, stiegen in die S-Bahn und nahmen auf dem Wandsbecker Marktplatz, in Sichtweite zum Hotel, noch einen abendlichen Absacker zu uns. Ein schöner Tag, an dem wir viel gesehen hatte, ging zu Ende.

Montag, 18. Oktober: Im Alten Elbtunnel

Ein halber Tag blieb uns noch, bevor wir um 13.00 Uhr wieder im Intercity nach Koblenz sitzen mussten. Wir wollten jetzt doch noch den letzten Punkt, der noch auf unserer Liste stand, abarbeiten und den Alten Elbtunnel, der die Landungsbrücken mit dem Hafen in Steinwerder verbindet, besuchen. Seit 2003 steht er unter Denkmalschutz, ist ganz gekachelt und in bestimmten Abständen mit 80 großen Tiermotiv-Kacheln geschmückt. Eigentlich wollten wir nur mal runterfahren, uns umschauen und dann wieder hochfahren, aber dann dachten wir, die 426 m bis zum anderen Ende kriegen wir auch noch hin. Am Steinwerder Ufer wurden wir dann mit einer wunderbaren Panoramasicht auf die Landungsbrücken und die Elphi belohnt, leider war wirklich kein Photographierwetter.

Zum Schluss kann ich nur sagen: Es war eine wunderbare Tour. Hamburg ist vielleicht nicht unbedingt die schönste Stadt Deutschlands, auch wenn das viele behaupten, aber auf jeden Fall eine sehr, sehr interessante Stadt. Wir haben viel gesehen und es hätte noch sehr viel mehr zu sehen gegeben, z.B. haben wir keine einzigen Park besucht: Planten et Blomen ist uns ganz entgangen, was aber auch ein bißchen der Jahreszeit geschuldet war. Ich persönlich kann nur sagen: Hamburg, ich komme wieder!