Mal kurz über den Kanal nach England – bei unseren Nachbarn zu Besuch

Auf besonderen Wunsch unserer ältester Enkeltochter Leah (dem Kind konnte ich noch nie was abschlagen!) planten wir eine Fahrt nach England. Durch den Brexit, das Pfund und den Linksverkehr nicht unbedingt das Land meiner Wahl, aber was soll`s! Einzige Bedingung: Ihre Mutter fährt das Auto durch England! Nicht ich! Unsere Saarbrücker Jungs (und das Mädchen natürlich auch) entschlossen sich spontan, uns zu begleiten und wir fanden ein niedliches, kleines Cottage in Southwater, einem Dörfchen am Ende der Welt in Sussex. Es liegt auf der halben Strecke London-Brighton, falls das irgendjemand etwas sagt. Als Fortbewegungsmittel entschieden wir uns für das eigene Auto und die Fähre Calais-Dover. Der Unterhaltungswert einer Fähre erschien uns irgendwie größer als der einer Fahrt auf einem Zug durch einen Tunnel. Geplant war ein Besuch am Meer, soweit man den Ärmelkanal als Meer bezeichnet, ein oder zwei Tag London und evtl. ganz vielleicht noch Stonehenge. Das war zwar ein ganzes Stück weg (ca. 2 Stunden), aber wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, es jemals zu sehen.

Dienstag, 30. Mai Von Düngenheim nach Southwater

Morgens früh um 7.15 Uhr starteten wir mit 6 Personen und einem bis an die Halskrause gefüllten Auto erst einmal Richtung Aachen. Bis zur Grenze durfte Leah mit ihrem neu erworbenen Führerschein (begleitetes Fahren!) fahren – und sie fährt wirklich sehr, sehr gut!-, dann übernahm ihre Mutter. Und das Drama begann! Gefühlt alle 50 km bekam Leah so starken Brechreiz, dass wir sofort an den Autobahnrand fahren mussten, was zu teilweise lebensgefährlichen Situationen führte. In Belgien und später vor allem in Frankreich sind die Standspuren nicht so gut ausgebaut wie bei uns. Bis Brüssel war ich schon fast einem Nervenzusammenbruch nahe, aber Sarah ertrug es in stoischer Ruhe, hielt an, fuhr weiter, hielt wieder an, fuhr wieder weiter – unglaublich. Und das Erstaunliche – wir treffen nach einigem Suchen die Saarbrücker, Adriana springt auf Leah`s Schoß und Leah gesundet schneller, als ich gucken konnte. Wider mein Erwarten war am Fähranleger nicht die Hölle los, genauer gesagt, war außer uns kein Mensch da. Am Schalter schnell die Karten gekauft (288 Euro pro Auto) und direkt auf die Fähre gefahren. Nach schwierigen Anfängen lief jetzt alles super und wir erreichten trotz aller Widrigkeiten die geplante Fähre um 15.00 Uhr.

Schon von weitem sahen wir die berühmten weißen Kreidefelsen von Dover und ich muss wirklich sagen, sie sind wesentlich eindrucksvoller als die auf Rügen. Leider waren die Fenster der Fähre so dreckig, dass ein gescheites Bild nicht möglich war. Wir fuhren noch 150 km erst nach Westen, dann nach Süden. Gott sei Dank, die ganze Zeit auf Autobahnen, so dass sich Sarah gut an den Linksverkehr gewöhnen konnten. Gegen 17.30 Uhr, nachdem wir die letzten zwei Kilometer auf einem Feldweg gefahren waren, erreichten wir unser süßes, kleines Cottage am Ende der Welt.

Einige Uneinigkeiten über die Zimmeraufteilung endeten damit, dass Ewald und ich jetzt in einer Erweiterung der Diele und somit im Durchgang zu Küche und Wohnzimmer schliefen, aber was soll`s: Schließlich ist das ja ein Ausflug für die Nachkommenschaft. Und seitdem Ewald und ich einstens (Nov. 1974) zusammen unter einem Küchentisch geschlafen haben (und uns das nur näher zueinander brachte), kann uns in dieser Hinsicht sowieso nichts mehr schrecken.

Mittwoch, 31. Mai Brighton

Nach einem frugalen englischen Frühstück (Porridge, weißen Bohnen, gebratenen Tomaten und Champignons, kleinen Würstchen und Bacon, Toast mit Orangenmarmelade) brachen wir, wie immer mit Getöse und Geschreie, nach Brighton auf. Die Kinder und Jugendlichen schliefen aus Erschöpfung sofort ein – Gott sei Dank. In Brighton parkten wir in einem Parkhaus, das uns später dann die Tränen in die Augen trieb: 22,50 Euro für 4 Stunden. Das sollte sich in Deutschland mal einer wagen! Kein Wunder, dass in der Stadt kreuz und quer geparkt wurde. Aber zu diesem Zeitpunkt wussten wir davon noch nichts und strebten fröhlich dem Royal Pavilion zu. Der Royal Pavilion ist die fühere königliche Sommerresidenz von Georg IV. aus dem Jahr 1823 im Stil eines indischen Mogulpalastes. Naürlich gefiel Ewald und mir der Garten darum viel besser als das in dieser Umgebung eher seltsam wirkende Schloss selber.

Dann durchstreiften wir auf der Suche nach einer Wechselstube die „Lanes“, hübsche kleine Einkaufssträßchen, die zum Bummeln einladen.
Und endlich, endlich waren wir am Strand. Wichtigste Sehenswürdigkeit von Brighton ist neben oben genannten Palast der Brighton Palace Pier. 525 m erstreckt er sich in den Ärmelkanal, wurde in den 1890ger Jahren erbaut und darauf befindet sich …. eine Kirmes mit Wildwasserbahn, Achterbahn, etlichen Karusells und vor allem einer riesigen Spielhalle. Also wirklich – wer sich das ausgedacht hat, gehört gesteinigt! Aber wir hatten Glück: Unsere Kinder sind durch unseren Freund Marcus so kirmes-abgefüttert, dass sie auf nichts drauf wollten. So kamen wir mit drei Softeis und drei Nutella-Crepes finanziell wieder gut von der Brücke runter, den meisten anderen wird es wohl nicht so gut gegangen sind wie uns.

Dann ging es endlich an den Strand. Was uns leider, als wir morgens losfuhren, noch nicht klar war, es handelt sich um einen Kiesstrand erster Ordnung. Es war also nichts mit: wir ziehen die Schuhe aus und laufen kurz in das Wasser hinein und gehen dann am Meeresrand entlang. Aber die Kinder hatten großen Spass daran, Steine im Wasser springen zu lassen und danach gab es eine kleine Foto-Session und ein Picknick auf dem steinigen Untergrund. Die Sonne schien und alles war/ist gut!

Am Abend gab es noch vegetarische Burger aus irgendwelchen schwarzen Bohnen, die Florian in einem vegetatischen Delikatessengeschäft erstanden hat. Weiter als diesen einen Satz darüber zu schreiben, lohnt sich für einen Burger-Spezialisten wahrlich nicht! Das Fleisch fehlte ganz einfach.

Donnerstag, 1. Juni Alrundel Castle

Nur 30 Fahrminuten (das Navi hatte den Stau nicht mit eingerechnet) von uns entfernt liegt Arundel Castle, der Wohnsitz der Herzöge von Norfolk. Es soll einen phantastischen Garten haben, der allerdings auch einen phantastischen Preis hat: 14 Pfund verlangen sie von jedem Erwachsenen; auf die Schloßbesichtigung verzichteten wir von daher großzügig. Aber dieser Garten, eigentlich war es ja ein Park, war jedes einzelne Pfund wert: Für Ewald und mich erfüllte sich ein langgehegter, aber aus Kostengründen nie verwirklichter Traum: einen echten englischen Garten in Südengland zu besuchen.

Und dieser Garten war der Realität gewordene Traum. Er war das genau richtige Zusammenspiel von Natur und Ordnung, wie wir es lieben.
In die wilden Margaritenwiesen waren Wege hineingemäht, so dass wir mitten hindurch gehen konnten. Uralte Bäume standen überall herum und dazwischen gruppierten sich noch die zum Schloss gehörigen Gebäude. Es gab einen stillen, naturbelassenen Wassergarten, den wir zuerst besuchten. Ein Schild forderte extra zu stillem Verhalten auf, weil dort Schwäne brüten würden.

Dann besuchten wir den nach streng geometischen Regel angelegten Rosengarten, in dem aber eine wild überbordende Rosenfülle die Ordnung auflockerte. Bis wir uns durch alle Rosen durchgerochen hatten, das dauerte schon seine Zeit. Und Ewald liebt Rosengärten nun mal über alles.

Das Highlight ganz am Ende des Parks war dann der Barockgarten, in den ein Staudengarten und ein Gemüsegarten integriert waren. Und es gab sogar ein Rasenlabyrinth, das Ewald natürlich sofort begehen musste. Fast zwei Stunden blieben wir allein in diesem Gartenteil, wo es auch ein Kiosk mit Kaffee und Sandwiches zur kleinen Stärkung gab.

Die Kinder und Kindeskinder hatten den Park schon lange vor uns verlassen und spielten eine Art englisches Minigolf auf der gegenüberliegenden Straßenseite. So mussten wir uns keinen Stress machen und konnten alles in Ruhe genießen. Wir waren sehr glücklich, dass unser langgehegter Traum jetzt unverhofft in Erfüllung gegangen ist.

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Der Abend spülte uns – auf dringendem Wunsch von Florian – noch in den hiesigen Pub, wo an diesem Abend ein Quiz stattfinden sollte. Natürlich ist die Welt für lauter Menschen, die kein fließendes Englisch sprechen, nicht so einfach, in einem Pub wird sie dann schnell richtig schwierig! Dort bestellt man nämlich an der Theke und wenn da viele Menschen stehen, geht alles ganz, ganz schnell. Nun gut, als wir dran waren und für 10 Personen bestellten, ging es nicht mehr ganz, ganz schnell, sondern nur noch ganz,ganz langsam. Danach wusste zumindest der ganze Pub, dass wir da waren.
Und wer es nicht wusste, lernte es, als das Quiz anfing. Da waren wir nämlich Team Ewald (kein Engländer kann dies als einen Namen identifizieren, geschweige denn aussprechen). Von uns Zehn sprachen immerhin zwei, Florian und Leah, die Landessprache, die mussten dann auf die Bühne. Leonie musste aus Solidarität mit, obwohl sie ohne jede Ahnung war. Ewald war der Joker,er spricht zwar kein Wort Englisch, aber ansonsten weiß er bekanntlich alles. Aus Gründen, die niemand von uns so ganz verstand, war Florian plötzlich der Quizmaster und musste die Fragen vorlesen. Das war der Teil, wo ich dem Quiz noch folgen konnte; alle anderen jedoch nicht, so dass die Spielleiterin die Fragen immer noch in den breiten Slang übersetzen musste, der wohl hierzulande gesprochen wird. So war Florian den Quizmaster-Job schon nach einer Spielerunde wieder los. Und auch ansonsten lief es für Team Ewald nicht ganz so rund, da sich die Fragen verständlicherweise meist auf englische Gegebenheiten bezogen, die jedem Deutschen nicht unbedingt so bekannt sind. Und Ewald kennt zwar jedes Geschehen der deutschen Geschichte mit allen Beteiligten und sogar der passender Jahreszahl, aber bei englischer Geschichte doch nur die groben Umrisse. Aber beim Thema „Musik“ haben wir zumindest die Beatles mit „Hey Jude“ erkannt!Auf jeden Fall wurde Team Ewald mit 26 Punkten (immerhin!) zwar letztes, aber mit nur vier Punkten Abstand zum nächsten einheimischen Team. Und darauf konnten sie auch durchaus stolz sein. Und Leah und Leonie hatten zumindest Spaß ohne Ende.

Freitag, 2. Juni London

Der London-Plan sah vor, dass wir mit dem Auto zur nächsten Bahnstation fahren und für alles weitere dann den Zug nehmen. Leider streiken in dieser Woche irgendwelche Angestellten der British Railways, so dass wir diesen Plan schon mal aufgeben mussten. Der Ausweich-Plan ließ uns mit dem Auto bis zum Vorort Wimbleton fahren und dann die U-Bahn in die Stadt nehmen. In meiner Vorstellung hätten wir den Bahnhof verlassen und wären in einen Hopp on-hopp of- Bus gestiegen. Leider stießen die Kosten von 40.- Euro/Erwachsenen bei meinen Mitfahrern auf keine Gegenliebe. Wir entwickelten einen 5 km langen Parcour durch die Innenstadt, an dem die wichtigsten Sehenswürdigkeiten liegen, ergänzt mit zwei kurzen U-Bahn-Strecken zu Trafalgar Square und Hyde-Park, da wir die Fahrscheine ja dann schon mal haben. So weit der Plan, mal schauen, was draus wird.

Die London Tour endete für Ewald und mich sehr schnell. Pünktlich 9.00 Uhr im Auto sitzend überkam Ewald ein solcher Anfall von Magen-Darm-Beschwerden, dass wir zuhause bleiben mussten. Hab` ich ein Glück! In einer Großstadt herumzulaufen, war für mich noch nie ein Spass, ich mach es, aber es muss nicht sein. Und als ich am Abend hörte, dass sie 14500 Schritte gelaufen sind, war ich noch glücklicher, dass mir das erspart geblieben ist. Von daher nun ein paar Bilder von meiner Tochter.

Ewald und ich verlebten einen ruhigen Tag, saßen in der Sonne, machten einen kleinen Spaziergang im nahen Wald, schliefen lange und wanderten am Nachmittag die 2 km bis zum nahen Pub um dort in der Sonne ein Weinchen zu genießen. Dabei besichtigten wir noch das hiesige kleine Kirchlein – ein Tag ganz nach unserem Geschmack.

Samstag, 2. Juni Die sieben Schwestern (Kreidefelsen im South Downs National Park)

Nach unserem Ruhetag nahmen wir wieder mit Begeisterung an dem nächsten Ausflug teil: Es gab nämlich wieder Natur pur im South Downs National Park. Zwei National Trusts wollten wir anfahren: Den Devil`s Dyke und die Sieben Schwestern. Zuerst fuhren wir zu Devil`s Dyke: Es handelt sich dabei um ein 100 m tiefes, sehr schmales Trockental, das hatte uns das Internet vorher verraten. Wo genau es im Bereich der Parkplätze und des Aussichtspunktes lag, wussten wir allerdings nicht. Das Autoaufkommen dort war jedoch so hoch, dass wir mindestens Schloss Neuschwanstein irgendwo vermuteten. Wir irrten eine Weile orientierungslos herum, hatten eine total reizvolle Weitsicht in die ganze Gegend,nahmen ungewollt an einer Bestattung teil, wo die Asche von zwei Verstorbenen in den Wind gestreut wurde, aber irgendetwas, das wie ein Trockental aussah, fanden wir nicht. Nach der vergeblichen Suche stärkten wir uns erst einmal mit einem Eis und wollten dann zum Auto zurück. Und siehe da, plötzlich brach ein Pulk Menschen rechts aus dem Gebüsch, Florian wollte unbedingt nachschauen, was da war und siehe da: keine 50 m weiter war unser Trockental. Den besten Platz für ein Foto zeigten uns zwei Maler an, die hingebungsvoll die Landschaft auf die Leinwand bannten. Also, es war schon eine interessante Geländeformation, aber dieser Menschenauflauf…..unverständlich!